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Umleitungen im Nahverkehr: Hindernislauf zum Wittenbergplatz

Die Umleitungsstrategie zur U-2-Baustelle hat es in sich: Für wenig Strecke müssen Fahrgäste viel Zeit mitbringen. Die BVG gibt sich Mühe, ein Chaos zu verhindern und zeigt sich kundenfreundlich.

Zufriedene Kinder haben ruhigere Eltern, glaubt Ilhan Akdemir. Und ein bisschen mehr Ruhe wäre gut am Tag eins der Sperrung zwischen U-Bahnhof Potsdamer und Wittenbergplatz. Also verteilt er 15-seitige Infoheftchen, die die Umleitungsstrategie zur U-2-Baustelle erklären soll, an die Großen und Spielzeugfiguren an deren Kinder. Sie haben eine gelbe Blume in der Hand und das BVG-Logo auf dem Helm. Akdemir selbst trägt das auf seiner Jacke. Ein rotes Tuch für die Massen, die die verkürzte U 2 im Fünf-Minuten-Takt im U-Bahnhof Potsdamer Platz ausspuckt.

"Heute ist der Tag, an dem sich alle aufregen", sagt er. Im Berufsverkehr früh morgens seien noch Beschimpfungen dabei gewesen. Jetzt würden die Leute etwas ruhiger. "Das darf nicht wahr sein!", stöhnt Britta Bürger-Gottschalk. Sie muss zu ihrer Sitzung um kurz nach zehn am Bahnhof Zoo, von der Baustelle hat sie nichts mitbekommen, jetzt muss sie zwei Mal umsteigen. Zwar gebe sich die BVG Mühe, aber für diesen Baustellenmarathon seien 2,30 Euro für den Einzelfahrschein einfach zu teuer.

Vor eine besondere Herausforderung stellt die Umleitung Berlin-Besucher. Das beginnt schon mit dem Wort Schienenersatzverkehr. "In English please", jammert ein verzweifelter Brite, nur wie? Den Begriff aus dem Verkehrsverwaltungsjargon kennt nicht einmal der Duden. Eine Asiatin kommt zum zweiten Mal zurück und entrüstet sich: da sei überhaupt keine Haltestelle. Akdemir drückt ihr eine Spielzeugfigur in die Hand und zeigt ihr den Weg zum Bus.

"Die Leute lesen zu wenig, was auf den Schildern steht", findet Christian Grimm, der die Fahrgäste zu den passenden Ersatzhaltestellen dirigiert. Ein bisschen Stress und Hektik, insgesamt sei es heute aber recht ruhig geblieben. Und auch im Ersatzbus Richtung Wittenbergplatz - kein Gedränge. Zwei Besucherinnen aus Bonn genießen die ungewollte Busfahrt durch die unfotogene Potsdamer Straße. Aussteigen wollten sie hier nicht. Könnten sie auch nicht. Denn der Bus hält nur einmal auf dem Weg zum Nollendorfplatz, ein Umstand der viele Fahrgäste verärgert.

Laut BVG-Rechnung sollte man nach elf Minuten Bus und Bahn auf dem Wittenbergplatz stehen. Der Test zeigt aber: Man schafft es nur bis U-Bahnhof Nollendorfplatz. Dort müssen die Fahrgäste Richtung Wittenbergplatz wieder in die Bahn umsteigen. Nur in welche? Die Verwirrung ist vor allem bei Touristen groß, von BVG-Mitarbeitern keine Spur. Viele versuchen sich in den kleinteiligen Zeichnungen der Umleitungsanleitungen zu orientieren. Wer den richtigen Text auf einem der Schilder liest, wird zur U 3 geleitet. Andere, steigen aus versehen in die U 1, ein Stockwerk darüber, und fahren Richtung Warschauer Straße.

Bis Montagnacht um 2 Uhr geht das noch so. Der Abschnitt zwischen Gleisdreieck und Wittenbergplatz bleibt über Montag hinaus für weiter sechs Monate gesperrt. Ab 5. Juni kommt dann auch noch der Abschnitt Pankow-Rosa-Luxemburg-Platz dazu. Die BVG wird wohl noch viele Spielzeugfiguren verteilen müssen, um die Reisenden bei Laune zu halten.

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