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Unfall: 76-Jähriger überfährt beim Abbiegen Frau auf Moped

Immer häufiger sind Senioren in Unfälle verwickelt. Die Polizeigewerkschaft in Berlin fordert einen Altentest. Doch der Vorschlag stößt nicht überall auf Gegenliebe.

Eigentlich ist es eine Standardsituation gewesen, als am Dienstagabend ein Autofahrer aus der Wiesbadener Straße in Wilmersdorf nach links abbiegen wollte. Als der Mann sein Fahrzeug in den Südwestkorso lenkte, übersah er dabei das Moped einer jungen Frau, die in die Gegenrichtung unterwegs war. Der Mann fuhr sie um, die 29-Jährige musste in eine Klinik. Er selbst ist 76 Jahre alt und sicher nicht der Einzige, der beim Linksabbiegen unachtsam ist. Doch – so berichten Polizisten – haben Senioren mitunter Schwierigkeiten im immer dichteren Verkehr.

Vor zwei Monaten kreuzt eine 70-jährige Autofahrerin in Friedrichshain die Gleise einer Straßenbahn – und achtet nicht auf eine parallel fahrende Tram. Ihr Auto wird zerquetscht, sie selbst schwer verletzt. Ein paar Wochen zuvor bricht ein 72-Jähriger bei einem Schwächeanfall zusammen – hinterm Steuer. In Brandenburg an der Havel prallt sein Auto auf einen anderen Wagen. Ein Hubschrauber fliegt den Rentner ins Krankenhaus.

Unfälle wie diese gibt es auf den Straßen der Region inzwischen häufiger. In Brandenburg ist die Zahl der Unfälle mit Beteiligung älterer Menschen zwischen 2008 und 2009 um fast acht Prozent auf mehr als 13 600 gestiegen. Fast genauso hoch ist die Zahl in Berlin, die um fast vier Prozent zunahm. Für beide Länder gilt: Zwei von drei Unfällen verursachen beteiligte Senioren selbst. Meist halten sie den Sicherheitsabstand nicht ein. Nur Unter-25-Jährige sind häufiger selbst Schuld. Als 2009 drei Menschen starben, weil ein 79-Jähriger bei einem Schützenumzug im Sauerland in eine Menschenmenge gerast war, forderten Politiker einen Tauglichkeitstest für Senioren.

„Ältere Kraftfahrer“, teilte das Bundesverkehrsministerium dem Tagesspiegel mit, würden „ihre mit dem Alter einhergehenden Leistungsbeeinträchtigungen in bestimmter Weise kompensieren.“ Etwa durch besonnene Fahrweise. Dem möchte Bodo Pfalzgraf, Berliner Chef der Polizeigewerkschaft, zwar nicht widersprechen, er fordert dennoch Altentests: „Ab 70 Jahre kann sich der Gesundheitszustand schnell ändern. Allerdings müssten Tauglichkeitstests von Kassen oder Ämtern übernommen werden.“ Von der Gesellschaft für Verkehrsmedizin heißt es, ab einem Alter von 75 Jahren seien Sehvermögen und Reaktionsfähigkeit oft beeinträchtigt. Eine Altersgrenze, ab der eine Führerscheinnachprüfung sinnvoll sei, will aber niemand nennen.

ADAC und Seniorenfürsprecher lehnen Fahrtests ganz ab. Dem Tagesspiegel sagte Ulrike Mascher, Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, dass Senioren oft auf das Auto angewiesen seien. „Auf dem Lande ist der öffentliche Personennahverkehr häufig ungenügend ausgebaut“, erklärte Mascher. Rentnervereine argumentieren, dass zwar fast jeder fünfte Bewohner der Region älter als 65 sei, jedoch nicht mal jeder zehnte Unfall von Senioren verursacht wird. Es gibt also nicht deshalb mehr Crashs mit Plus-65-Jährigen, weil ein größerer Teil von ihnen zu Verkehrssündern wird, sondern weil es in unser älter werdenen Gesellschaft immer mehr Rentner und darum mehr Unfälle mit ihnen gibt.

In den Parteien fordert inzwischen kaum jemand einen Alters-Tüv: In zehn Jahren wird jeder Vierte mindestens 65 Jahre alt sein – und wer will schon 25 Prozent der Wählerstimmen riskieren? Außerdem dürften sich angesichts regelmäßiger Rentendebatten einige fragen: Mit 70 Jahren noch arbeiten ist ok, Führerschein haben aber nicht? Experten sind sich jedoch einig, dass Senioren im Verkehr wegen der demografischen Entwicklung künftig eine größere Rolle spielen – und bald wieder über einen Altencheck debattiert wird. In Spanien müssen Fahrer übrigens ab 45 Jahre alle fünf Jahre zu einer Untersuchung.

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