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Verkehrschaos: Die S-Bahn verliert jeden zweiten Fahrgast

Nicht nur der gesamte Nahverkehr spürt die Chaos-Folgen: Die S-Bahn hat innerhalb weniger Tage rund die Hälfte ihrer Fahrgäste verloren. Die Informationen reichen immer noch nicht aus.

Fuhren vor dem Chaos mit dem stark eingeschränkten Verkehr – unter anderem ist die Stadtbahn zwischen Ostbahnhof und Zoo gesperrt – an Ferientagen immerhin etwa 900 000 Fahrgäste täglich in den rot-gelben Zügen mit, sind es jetzt nach Zählungen des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB) nur noch 380 000 – mit weiter sinkender Tendenz. Etwa 120 000 Fahrgäste seien auf Bahnen und Busse der BVG umgestiegen, sagte am Dienstag VBB-Chef Hans-Werner Franz. Somit seien dem Nahverkehr rund 400 000 Kunden verloren gegangen, die jetzt Auto fahren, das Rad nutzen, zu Fuß gehen oder zu Hause bleiben. „Das ist ein Hammer“, konstatierte Franz. Das Desaster bei der S-Bahn sei ein Riesenimageverlust für den öffentlichen Nahverkehr.

Während die Züge auf dem Ring vor allem seit Beginn des nochmals eingeschränkten Verkehrs am Montag meist rappelvoll sind, gibt es auf anderen Linien oft sogar freie Sitzplätze und Platz für mehrere Fahrräder. Ein Bahnsprecher kündigte an, Züge, die die Werkstätten wieder verlassen können, würden vorwiegend auf dem Ring eingesetzt.

Von 1260 vorhandenen Wagen konnten gestern nach Angaben von Franz nur 320 eingesetzt werden. Im Normalbetrieb sind in Spitzenzeiten 1104 Wagen erforderlich. Die Mehrzahl davon ist abgestellt, weil sie nach dem Bruch eines Rades erst kontrolliert werden müssen, bevor sie wieder fahren dürfen.

Unzureichend sind nach Ansicht des VBB und des Senats weiter die Informationen vor allem für Touristen. Am Bahnhof Zoo fehlten gestern immer noch Hinweisschilder auf den Ersatzverkehr mit Bussen. Mitarbeiter, die dort am Montag noch Auskunft geben konnten, waren am Dienstagmittag nicht mehr zu sehen.

Auch zu dem Ersatzverkehr mit der sogenannten S 21, die von Gesundbrunnen zum Bahnhof Südkreuz fährt und dabei im Hauptbahnhof und am Potsdamer Platz hält, gebe es bisher keine oder nur unverständliche Durchsagen auf den Bahnhöfen, kritisierten gestern Staatssekretärin Maria Krautzberger aus der Stadtentwicklungsverwaltung und Hans- Werner Franz. Diese Züge werden deshalb noch kaum genutzt.

Durchsagen auf Englisch sollte es von gestern Abend an geben; mehrsprachige Hinweise werden nach Angaben eines Bahn-Sprechers wohl erst Ende der Woche fertig sein. Einig waren sich Krautzberger und Franz, dass die bisher von der Bahn angebotene Entschädigung für die Fahrgäste nicht ausreiche. Die Bahn will Abonnenten und Jahreskartenkäufer einen Monat lang gratis fahren lassen. Der verkehrspolitische Sprecher der SPD, Christian Gaebler, fordert, auch Käufer von Monatskarten im Juli oder August müssten entschädigt werden. Vorsichtshalber sollten Kunden ihre Marken aufbewahren.

Gaebler lehnt es ab, den Verkehrsvertrag mit der S-Bahn, der bis 2017 läuft, vorzeitig zu kündigen. Vor Abschluss eines neuen Vertrags müsse man sich aber überlegen, ob es nicht besser sei, die für die S-Bahn benötigten Fahrzeuge unter der Regie des Landes anzuschaffen und sie einem Betreiber – gegen Verrechnung – zu überlassen. So würde die Bahn ihr bisheriges Monopol verlieren. Er zweifle nämlich, ob die Bahn auf Dauer verlässlich sein werde, sagte Gaebler.

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