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Verkehrspolitik: Tödliche Raserei

2009 gab es mehr Geschwindigkeitsunfälle mit Toten und Schwerverletzten als im Jahr zuvor. Die Polizeigewerkschaft und Grüne fordern neue Radarfallen.

Die Autofahrer hatten viel zu fluchen, den Finanzsenator wird es freuen. Mehr als eine halbe Million Mal wurden 2009 zu schnelle Autofahrer geblitzt und fleißig Knöllchen für Falschparker geschrieben. Für alle Verkehrsordnungswidrigkeiten kamen 56 Millionen Euro in die Landeskasse, acht Millionen mehr als im Jahr zuvor. Ein Grund für die erhöhten Einnahmen dürfte die Aufstockung des Personals der Ordnungsämter sein, zum anderen gab es eine Verschärfung der Bußgelder. Aber auch die Zahl der Einsätze der 22 Radarwagen hat sich erhöht. 2009 waren die Autos 9316 Mal im Einsatz und blitzen rund 620 000 Autofahrer.

Auf die Frage, warum 2009 häufiger geblitzt wurde, hat die Gewerkschaft der Polizei (GdP) folgende Erklärung. „2008 haben die Kollegen über Monate gestreikt, deshalb gab es weniger Einsätze der Radarwagen“, sagte GdP-Sprecher Klaus Eisenreich. Wenn es nach der GdP geht, sollte häufiger geblitzt und kontrolliert werden. „Es geht uns um die Aufgabe der Polizei, Verkehrsteilnehmer zu belehren, nicht immer gleich zu bestrafen.“

Für die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen, Claudia Hämmerling, werden die Blitzeranlagen nicht oft genug eingesetzt. Es sei skandalös, dass beispielsweise die mobilen Anlagen nicht einmal eine dreiviertel Stunde pro Tag im Einsatz seien. Am meisten seien Fußgänger und Radfahrer von den Rasern betroffen. „Solange sich Autofahrer rüpelhaft verhalten, müssen sie damit rechnen, Geld zu zahlen“, sagt Hämmerling. Und die Raserei hat teilweise tödliche Folgen. Wie aus der Antwort des Senats auf eine kleine Anfrage der Grünen hervorgeht, hat sich die Zahl der tödlichen Unfälle mit erhöhter Geschwindigkeit von 2008 zu 2009 von acht auf 14 beinahe verdoppelt, auch gab es dabei mehr Schwerverletzte. „Der Senat muss die Geschwindigkeitskontrolle erhöhen, insbesondere an unübersichtlichen und unfallträchtigen Straßenabschnitten“, fordern die Grünen. Sie werfen dem Senat vor, „seine Verantwortung für mehr Sicherheit sträflich“ zu vernachlässigen.

Insgesamt ist die Zahl der tödlichen Unfälle allerdings rückläufig. 2009 registrierte die Polizei 48 Verkehrstote, so wenig wie nie zuvor seit 1946. 1999 waren es noch 103 Tote, 2008 insgesamt 59.

„Leider besteht der Verdacht, dass die Blitzer manchmal nicht an Unfallschwerpunkten, sondern an willkürlichen Standorten stehen, um möglichst viel Geld zu verdienen“, kritisiert Jörg Becker vom ADAC. Grundsätzlich begrüße der Verband die Verkehrsüberwachung, man wünsche sich aber mehr Zivilkontrollen von aggressiven Fahrern, anstatt gewinnbringende Verwarngelder für „geringfügige Geschwindigkeitsüberschreitungen“. Vor allem Touristen beschwerten sich immer wieder über „Abzocke“.

Torpediert werden die Polizei-Kontrollen weiterhin ausgerechnet aus den eigenen Reihen. Schon seit zwei Jahren existiert eine Internetseite (www.blitzberlin.de), auf der detailliert über die häufigsten Radarmessorte berichtet wird. Alle Kennzeichen und Modelle der Radarwagen sowie weitere interne Informationen werden hier preisgegeben – alles Wissen, das nur von Polizisten kommen kann. Polizeipräsident Dieter Glietsch kritisierte schon damals als „völlig unmöglich“, wie Polizisten „die eigene Arbeit derart sabotieren“ und ermittelte gegen drei Mitarbeiter. Ein Polizist bekam eine Disziplinarmaßnahme. Erfolglos, wie sich zeigt. Erst vor wenigen Tagen wurde die Seite zuletzt aktualisiert.

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