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Verkehrsvertrag: Freifahrschein vom Senat für die S-Bahn

Beim Treffen zwischen Senat und S-Bahn muss das Unternehmen am Montag keine weiteren Sanktionen fürchten: Der Regierende Bürgermeister Wowereit will den Vertrag nicht vorzeitig kündigen. Experten halten die Abmachung von 2004 für schlecht verhandelt.

Der wegen verschärfter Sicherheitskontrollen seit Wochen stark eingeschränkte S-Bahn-Verkehr soll sich in dieser Woche weiter leicht verbessern. Am heutigen Montag findet planmäßig ein erneutes Krisentreffen zwischen dem Senat und der Bahn statt. Außer dem Kürzen von Zuschüssen muss die S-Bahn aber auch bei diesem Gipfel keine weiteren Sanktionen fürchten. Am Wochenende hatte bereits der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) deutlich gemacht, dass der Senat den bis 2017 geltenden Verkehrsvertrag mit der S-Bahn nicht vorzeitig kündigen werde.

Dieser Vertrag, der nach langwierigen Verhandlungen erst nach einem Treffen zwischen Wowereit und dem damaligen Bahnchef Hartmut Mehdorn 2004 zustande gekommen war, ist heftig umstritten und wird bis heute als Geheimpapier behandelt. Er liegt dem Tagesspiegel aber vor. Das Recht zur ordentlichen Kündigung ist in Paragraf 22 ausgeschlossen worden. Eine Auflösungsmöglichkeit wegen unzureichender Leistungen ist nicht erwähnt.

Bei „mangelhafter Erfüllung“ der geforderten Qualität ist lediglich eine Malusregelung vorgesehen, die auf insgesamt fünf Prozent des jährlich vereinbarten Zuschusses begrenzt ist. In diesem Jahr sollte die S-Bahn 232 Millionen Euro vom Land erhalten; das demnach davon lediglich 11,6 Millionen Euro einbehalten darf. Hinzu kommen Kürzungen für nicht erbrachte Fahrten.

Je mehr Züge die S-Bahn jetzt wieder fahren lässt, desto weniger Geld kann ihr der Senat streichen. Dabei ist es egal, mit wie viel Wagen die Züge fahren. Hierzu gibt es im Vertrag keine Vorgaben. Dies will Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer in Nachverhandlungen nun ändern. Eine Klausel, den Vertrag modifizieren zu können, gibt es aber nicht.

Nach Ansicht von Experten hat das Land den Vertrag mit der S-Bahn extrem schlecht ausgehandelt. Federführend war damals Junge-Reyers Vorgänger Peter Strieder (SPD). Der Vertrag ermöglichte es der Bahn, jährlich meist zweistellige Millionengewinne aus der S-Bahn abzuziehen – obwohl der Senat damals stolz darauf war, den Zuschuss um einen zweistelligen Millionenbetrag gedrückt zu haben.

Kritiker werfen den Verhandlungsführern mit Wowereit an der Spitze vor, das enorme Rationalisierungspotenzial bei der S-Bahn nicht erkannt zu haben. Kaum war die Tinte der Unterschriften trocken, begann die S-Bahn damit, Stellen abzubauen, Werkstätten zu schließen und Fahrzeuge zu verschrotten. Im Betrieb wurden kürzere Züge eingesetzt, was auch Kosten spart. Die Folge: Im vergangenen Jahr konnte die S-Bahn einen Gewinn in Höhe von 56 Millionen Euro ausweisen, in einer früheren Planung war für 2010 sogar eine Abgabe in Höhe von 125,1 Millionen Euro vorgesehen.

Die dreimal größere BVG erhält vom Senat laut Verkehrsvertrag derzeit jährlich „nur“ 250 Millionen Euro, wovon 175 Millionen Euro für die Infrastruktur vorgesehen sind. Während die S-Bahn jahrelang Gewinn machen konnte, wächst bei der landeseigenen BVG der Schuldenberg.

Auch die Möglichkeit, von 2014 an den Betrieb der Nord-Süd-Strecken ausschreiben zu können, hat der Senat nicht wahrgenommen. Die S-Bahn hatte unter anderem argumentiert, ein Auseinanderreißen des Netzes hätte enorme betriebliche Nachteile. Im Vertrag heißt es aber, die Partner seien sich einig, dass die Nord-Süd-Strecken „ein selbstständig betriebsfähiges Teilnetz“ seien.

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