zum Hauptinhalt
tempelhof

© dpa

Volksentscheid: Tempelhof ist jetzt Geschichte

Der Volksentscheid für den Flughafen scheiterte an 80.000 fehlenden Ja-Stimmen. Die Unterstützung für das Bürgerbegehren war im Westen deutlich größer. Die Befürworter wollen trotzdem weiterkämpfen.

Es blieb lange spannend. Erst am späten Abend war klar, dass der Volksentscheid zur Zukunft des Flughafens Tempelhof knapp gescheitert ist. Für einen Erfolg hätten 25 Prozent der Wahlberechtigten mit Ja stimmen müssen. 21,7 Prozent wurden erreicht. Abgestimmt hatten insgesamt 36,1 Prozent der Berechtigten, nämlich 880 808. Zwar sprachen sich davon 60,2 Prozent dafür aus, Tempelhof auf Dauer als Verkehrsflughafen zu erhalten, doch weil die Tempelhof-Befürworter nicht nur in der Mehrheit sein mussten, sondern auch mindestens 609 509 Ja-Stimmen erreichen mussten, war die Wahlbeteiligung mitentscheidend. Nur bei einer hohen Quote hatte der Entscheid Chancen, das Quorum von 25 Prozent zu erreichen. Am Ende blieb es bei 530 231 Ja-Stimmen.

Die Initiatoren des Volksentscheids, die Interessengemeinschaft City-Airport Tempelhof (Icat) kündigte bereits an, ihren Einsatz für Tempelhof fortsetzen zu wollen. Auch wenn die erforderliche Zahl von 609 509 Stimmen nicht erreicht worden sei, gebe es ein deutliches Votum für Tempelhof in der Stadt, teilte die Icat mit. Sie will heute ihr weiteres Vorgehen vorstellen.

Rechtlich kann das Aus von Tempelhof zum 31. Oktober jetzt allerdings nur noch vom Oberverwaltungsgericht (OVG) gestoppt werden, wo noch Klagen gegen die Entwidmung von Tempelhof als Flughafen anhängig sind. Klägerin ist auch hier unter anderem die Icat. Das Luftfahrtunternehmen Windrose Air hatte seine Klage noch vor der OVG-Entscheidung zurückgezogen. Einen Termin für die Verhandlung beim OVG gibt es noch nicht. Die Stadtentwicklungsverwaltung des Senats hatte das Gelände – unter heftigem Protest der Tempelhof-Befürworter – noch vor dem Volksentscheid entwidmen lassen. Ob dieser Schritt zurückgenommen werden könnte, ist juristisch umstritten. Auch die Änderung des Flächennutzungsplans ist bereits auf den Weg gebracht.

Der Senat hatte bereits vor dem Volksentscheid klar gemacht, dass er an der Schließung von Tempelhof festhalten wolle – unabhängig vom Ausgang des gestrigen Votums.

Die Betriebsgenehmigung der Flughafengesellschaft ist bereits – ebenfalls zum 31. Oktober – widerrufen und letztinstanzlich von den Gerichten bestätigt worden. Diesen Widerruf hatte die Flughafengesellschaft beantragt, weil sie sich von dem Verlustbringer Tempelhof trennen wollte, um die Ausbaufinanzierung für den Flughafen Berlin-Brandenburg International (BBI) in Schönefeld zu erleichtern.

Die meisten Tempelhof-Befürworter gab es mit 77 Prozent-Ja-Stimmen in Reinickendorf, gefolgt von 75,8 Prozent in Spandau, 74 Prozent in Neukölln und 73,8 Prozent in Neukölln. Bei den Nein-Stimmen lag Lichtenberg mit 69,4 Prozent vorne, dort gab es mit 24,4 Prozent aber auch die zweitgeringste Beteiligung. Noch weniger stimmten mit 23,1 Prozent in Marzahn-Hellersdorf ab. Dort votierten 65,4 Prozent gegen Tempelhof.

Insgesamt gingen in den Westbezirken mehr Menschen in die Abstimmungslokale als im Osten und die Zustimmung für Tempelhof war im Westen immer deutlich höher als in den östlichen Bezirken. Selbst in Treptow-Köpenick, wo vermutet worden war, dass es dort besonders viele Ja-Stimmen geben würde, um bei einem Erfolg des Volksentscheids den Ausbau Schönefelds zum Flughafen Berlin-Brandenburg International (BBI) nachträglich verhindern zu können, gab es bei einer Wahlbeteiligung von 33,2 Prozent keine Mehrheit für Tempelhof. 44,2 Prozent stimmten mit Ja, aber 55,6 Prozent mit Nein.

Laut Landesabstimmungsleiter Andreas Schmidt von Puskás verlief die Abstimmung bis zum Nachmittag im wesentlichen „ruhig und ohne Zwischenfälle“. Allerdings gab es Verwirrung in Tempelhof-Schöneberg. Dort hatte es, wie berichtet, durch einen elektronischen Fehler eine falsche Zuordnung der Wahllokale gegeben. Um diesen Fehler auszugleichen, sollte allen Betroffenen in einem zweiten Schreiben mitgeteilt werden, dass sie zu einem anderen Wahllokal gehen sollten. Offenbar erschienen gestern aber etliche Bürger an den „alten“ Wahllokalen. In den meisten Fällen habe das nicht zu Problemen geführt, hieß es beim Landesabstimmungsleiter.

Allerdings gab es ein Wahllokal, das gänzlich entfallen war: eine Kita am Mariendorfer Damm 123. Ein Betroffener berichtete, dass dort nicht einmal ein Zettel mit der Adresse des richtigen Wahllokales hing. Erst durch eine mühselige telefonische Nachfrage habe er erfahren, dass er etliche Kilometer zur Carl-Sonnenschein-Schule am Hellespont 4 - 6 weiterziehen musste. Beim Landesabstimmungsleiter hieß es am Nachmittag, es sei ein Zettel angebracht worden. Falls dieser nicht mehr vorhanden sein sollte, werde man schnell Abhilfe schaffen.

Pro Abstimmungslokal waren 1000 bis 2000 Wahlberechtigte zugeordnet. Wie viele in Tempelhof wegen des fehlenden Hinweises nicht abstimmen konnten, war nicht zu erfahren. Auch nicht, ob deshalb jemand die Wahl anfechten wird. „Anfechten kann die Wahl jeder“, sagte dazu Geert Baasen, Leiter der Geschäftsstelle des Landesabstimmungsleiters.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false