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Zugausfälle: Berliner S-Bahn setzt Chaostage fort

Es könnte eng werden für den Chef der Berliner S-Bahn: Am Vormittag trifft sich der Aufsichtsrat der Bahn-Tochter zu einer Sondersitzung wegen des Chaos, das sich auch am Donnerstag fortsetzte. Vermutlich wird auch über die Zukunft des S-Bahn-Chefs Tobias Heinemann entschieden.

Das Chaos bei der S-Bahn hält an. Tausende Berliner litten auch am Mittwoch wieder unter Zugausfällen, Verspätungen und übervollen Zügen. Ursache waren, wie schon tags zuvor, Sicherheitsprüfungen an den Rädern vieler Züge. Deswegen wurden weniger Züge eingesetzt, einige Verbindungen ganz gestrichen. Zusätzliche Störungen verursachte eine Bombenentschärfung in Oranienburg: S-BahnFahrgäste mussten auf Busse umsteigen. Allerdings hatte sich die Lage im Vergleich zum Vortag etwas entspannt, da weniger Linien komplett ausfielen.

Für den heutigen Donnerstag müssen sich die Berliner Fahrgäste erneut auf Einschränkungen einstellen. Die Fahrpläne machte die S-Bahn am Mittwochabend im Internet unter www.s-bahn-berlin.de bekannt. Demnach fahren S85 und S45 wie am Dienstag überhaupt nicht, auf fast allen Strecken ist der 20-Minuten-Takt zunächst die Regel. Freigegebene Züge werden laut Bahn kurzfristig eingesetzt. Absehbar sei etwa, dass auf der S5 „erheblich mehr“ Wagen eingesetzt werden können als am Mittwoch, sagte ein Bahnsprecher. Noch offen sei, wann alle Linien wieder regulär fahren.

Die Deutsche Bahn hat wegen der massiven Probleme bei der Berliner S-Bahn angekündigt, dass sich der Aufsichtsrat der Bahn-Tochtergesellschaft am heutigen Donnerstag zu einer Sondersitzung trifft. Das teilte der DB-Konzern am Mittwoch mit. „Die momentanen Einschränkungen für unsere Berliner S-Bahn-Kunden sind ebenso wenig hinnehmbar wie die unzureichende Umsetzung der Vorsichtsmaßnahmen, die wir mit dem Eisenbahn-Bundesamt vereinbart haben“, sagte das Bahn-Vorstandsmitglied Ulrich Homburg. „Deswegen werden wir im Aufsichtsrat die Missstände aufklären und unverzüglich die notwendigen Konsequenzen daraus ziehen.“ Eine Konsequenz könnte sein, dass S-Bahn-Chef Tobias Heinemann aufs Abstellgleis geschickt wird.

Am Mittwoch war die Geduld der Fahrgäste vor allem am Morgen gefordert. Wer etwa zwischen 8.50 und 9.15 Uhr von Pankow in Richtung Stadtmitte wollte, hatte Pech: Es fuhr überhaupt kein Zug auf der Strecke, die für gewöhnlich in dichter Folge von zwei Linien bedient wird. Lautsprecheransagen gab es keine, die wartenden Fahrgäste blieben mit ihrem Frust allein. Die Anzeige „Zug fällt aus“ war meist noch das Genaueste, was zu erfahren war. Personal auf den Bahnsteigen war – wie seit Monaten üblich – kaum zu sehen. Umso ärgerlicher, dass etwa am Bahnhof Südkreuz alle elektronischen Displays ausgefallen waren. Geistesgegenwart der Kunden lohnte sich hingegen. So verlegten Lehrer und Eltern einer 3. Klasse der Clemens-Brentano-Grundschule in Lichterfelde in aller Frühe per Telefonkette den Treffpunkt zum geplanten Ausflug, um ihren Brandenburger Anschlusszug zu erwischen.

Insgesamt war die Lage weniger dramatisch als am Vortag. Die Linien S8 und S85 verkehrten am Mittwochmorgen einigermaßen pünktlich. Am Dienstag war die S85 ausgefallen, die S8-Züge waren verspätet und völlig überfüllt. Die Linie S45 von Hermannstraße zum Flughafen verkehrte gestern weiterhin nicht. Die Linie S47 zwischen Schöneweide und Spindlersfeld sowie S1, S2, S3 und S25fuhren nur alle 20 Minuten. Ab mittags kehrte die S3 zum planmäßigen 10-Minuten-Takt zurück, auf der S5 und S75 setzte die Bahn Verstärkungszüge ein. Ringbahn und die übrigen Linien verkehrten planmäßig.

Nach Angaben der BVG wurden U-Bahnen und Busse deutlich stärker genutzt. Die Verkehrsbetriebe hatten sich darauf eingestellt, kurzfristig zusätzliche Fahrzeuge einzusetzen. Sie mussten dies jedoch nicht tun, da die Kapazitäten für alle zusätzlichen Fahrgäste ausreichten. Den Straßenverkehr haben die S-Bahn-Ausfälle nach Angaben der Verkehrsmanagementzentrale nicht beeinträchtigt.

Nach der Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) kritisierten am Mittwoch mehrere andere Verkehrspolitiker den Bahn-Konzern als Betreiber der S-Bahn. Die Opposition macht aber auch dem Senat und der von Junge-Reyer geführten Behörde Vorwürfe. „Das Hauptproblem ist, dass die Verkehrsverwaltung sich nicht rechtzeitig um die Zustände bei der S-Bahn gekümmert hat“, sagte CDU-Abgeordneter Uwe Goetze. Die Grünen-Verkehrspolitikerin Claudia Hämmerling sieht das Hauptproblem im 2003 zwischen Senat und S-Bahn ausgehandelten Vertrag. Die Strafzahlungen bei schlechtem Service seien zu gering. Über die Höhe dieser Strafen besteht jedoch Unklarheit, da der Vertrag nicht öffentlich ist. Die Zuschüsse des Landes für die S-Bahn liegen 2009 bei rund 232 Millionen Euro. Im Vorjahr hat der Senat der Berliner S-Bahn einen Betrag von fünf Millionen Euro abgezogen, davon 2,2 Millionen Euro wegen Qualitätsmängeln.

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