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Auf der Friedrichstraße sind die Bürgersteige an manchen Stellen recht schmal.

© Mike Wolff

Verkehrspolitik in Berlin: Rot-Rot-Grün will die Friedrichstraße nicht autofrei machen

Der ADAC schlägt die Friedrichstraße als Fußgängerzone vor. Doch die künftige Koalition hält an einem autofreien Boulevard Unter den Linden fest.

Ein Herz für Fußgänger. Der künftige rot-rot-grüne Senat will den Boulevard Unter den Linden autofrei machen, der ADAC sähe lieber die Friedrichstraße als Fußgängerzone. Denkbar sei, sie zwischen Dorotheenstraße und Taubenstraße zu sperren, sagte der ADAC-Verkehrsexperte Jörg Becker am Sonnabend. Die wahrscheinliche Koalition will die Linden zwischen Brandenburger Tor und dem künftigen Humboldtforum zum Fußgängerparadies machen. Nur Busse und Radler sollen hier weiter fahren.

An der Friedrichstraße gebe es wesentlich mehr Geschäfte und Restaurants als Unter den Linden, wirbt der ADAC für seine Idee. Sie sei damit auch bis in den Abend hinein lebhafter. Außerdem sei mit dem Nord-Süd-Tunnel eine Ausweichstrecke für Autos vorhanden. Zudem gebe es weitere parallele Verbindungen.

Andere verweisen darauf, dass die Gehwege in der Friedrichstraße nicht so breit sind wie Unter den Linden. Für Fußgänger wäre es vorteilhafter, auf der Friedrichstraße auf die Fahrbahn ausweichen zu können. Dagegen seien die Linden breit genug für alle.

Rund eineinhalb Jahre war die Friedrichstraße bereits Fußgängerzone. Allerdings nur, weil die BVG 2012/13 den Platz auf der Straße für den Bau des neuen Umsteigebahnhofs der Linien U 5 und U 6 an der Kreuzung Unter den Linden/Friedrichstraße brauchte. Geschäftsleute hatten damals heftig protestiert, weil sie Umsatzeinbußen befürchteten, die bei den meisten dann aber nicht eintraten.

Durch die U5 werden ohnehin weniger Autos unter den Linden fahren

Die künftigen Koalitionäre bleiben auch nach dem ADAC-Vorstoß bei ihren Linden-Plänen. Der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Stefan Gelbhaar, nennt gleich mehrere Vorteile aus seiner Sicht: Durch den Fußgängerbereich am Brandenburger Tor gebe es bereits jetzt nur noch einen beschränkten Ost-West- Durchgangsverkehr auf dem Boulevard. Eine weitere Abnahme des Autoverkehrs Unter den Linden erwarte er nach der Inbetriebnahme des Lückenschlusses der U-Bahn-Linie U 5 zwischen Brandenburger Tor und Alexanderplatz mit den Zwischenstationen Unter den Linden/Friedrichstraße und Museumsinsel. Dieses Angebot werde Autofahrer umsteigen lassen, sagte Gelbhaar.

Zudem gebe es einen Synergie-Effekt zu nutzen. Weil die BVG die Linden nach Abschluss der U-Bahn-Arbeiten wiederherstellen müsse, könne man dabei kostenneutral den Straßenzug umbauen.

Unklar ist bisher bei beiden Ideen, wie der jeweils querende Verkehr geregelt würde. Ein Vorbild gibt es an der Wilmersdorfer Straße in Charlottenburg, die von der – viel befahrenen – Kantstraße gekreuzt wird.

Ein „klares Nein“ zu einer Fußgängerzone auf der Friedrichstraße kommt auch von der SPD. Die Vorsitzende des Fachausschusses Mobilität, Sybille Uken, die auch an den Koalitionsverhandlungen beteiligt war, sagte, anders als die Friedrichstraße seien die Linden immer als ein Boulevard gedacht gewesen, auf dem Menschen flanierten. „Wieso soll das nicht wieder möglich sein?“ In anderen Metropolen funktioniere dies auch.

Ausbau des Nahverkehrs auch für ältere Menschen wichtig

Ob Linden oder Friedrichstraße – sie zur Fußgängerzone zu machen, sei generell „Schwachsinn“, sagte dagegen am Sonnabend Rainer Boldt, der 20 Jahre lang Vorstandsvorsitzender der Interessengemeinschaft Friedrichstraße war. Den Vorschlag habe man schon vor einem Vierteljahrhundert diskutiert – und verworfen. Die Friedrichstraße müsse als Nord-Süd-Verbindung für den Autoverkehr offen bleiben. Wichtig sei ein Gesamtkonzept, das es erlaube, den Autoverkehr weiträumig um die Mitte herum zu führen, sagte Boldt. Und das den Verkehr in die Mitte weiter zulasse.

Uken konterte, der Koalitionsvertrag sei ein Gesamtkonzept. Wer sich nur Bruchstücke wie den Fußgängerbereich Unter den Linden herausgreife, sei „auf einem Auge blind“. Der vereinbarte Ausbau des Straßenbahnnetzes und des Nahverkehrs insgesamt sowie weitere gebührenpflichtige Zonen fürs Parken innerhalb des S-Bahn-Rings würden dazu führen, dass der Individualverkehr abnehme. Auch der weitere barrierefreie Ausbau des Nahverkehrs würde vor allem Älteren das Umsteigen auf Bahnen und Busse erleichtern.

Im Übrigen habe die Interessengemeinschaft früher selbst von der „einstigen Flaniermeile“ Unter den Linden gesprochen. Nun sei es Zeit, diese zurückzugewinnen, sagte Uken.

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