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Engpass. Hochbord-Radwege auf Gehwegen fühlen sich gerade für wenig routinierte Radler relativ sicher an. Doch auf ihnen passiert besonders viel.

© Doris Spiekermann-Klaas

Verkehrssicherheit: Warum Radler unter die Räder geraten

Experten vermuten, dass blindes Vertrauen für Radfahrer gefährlicher sein kann als aggressives Fahren. Polizei und Verbände haben unterschiedliche Vorschläge, um den Verkehr sicherer zu machen.

Die Analyse des Radfahrerclubs ADFC zum Unfallgeschehen in Berlin hat rege Diskussionen über die Frage ausgelöst, warum auffällig viele Frauen und Senioren besonders schwer verunglücken. Wie berichtet war jeder Zweite der 52 in den vergangenen fünf Jahren tödlich verunglückten Radfahrer in Berlin älter als 55 Jahre. Und bei der problematischsten Unfallkategorie, den Zusammenstößen mit rechts abbiegenden Fahrzeugen, sind zwei Drittel der Opfer Frauen.

Eine Erklärung liegt aus Sicht von Experten darin, dass – von Ausnahmen abgesehen – Senioren und Frauen tendenziell anders Fahrrad fahren als junge Männer und die sogenannten „Kamikaze-Radler“, die zumindest bei den schwersten Unfällen unauffällig sind. Plakativ gesprochen: Wer schnell und aggressiv fährt, fährt offenbar auch besonders aufmerksam – und bemerkt rechtzeitig den Lkw, der ihm an der Kreuzung gerade die Vorfahrt nimmt.

Oder er hat ihn längst auf der linken Seite überholt und ist so der Gefahr auf der Radweg-Furt entgangen. Dagegen fahren die Risikogruppen eher vorschriftsgemäß, aber weniger aufmerksam und in blindem Vertrauen auf die Regeln. Dafür spricht, dass die Abbiegeunfälle meist bei grüner Ampel passieren, die Radler also Vorfahrt hatten. Subjektive und objektive Sicherheit klaffen speziell an Kreuzungen mit rechts der Fahrbahn verlaufenden Radwegfurten weit auseinander.

Abhilfe bietet – neben der bisher erst selten zu findenden Markierung von Radfahrstreifen zwischen den Autospuren – größere Aufmerksamkeit bei allen Beteiligten. „Nach außen selbstbewusst, aber innerlich defensiv“ zu fahren, rät der ADFC. Im Klartext: Nicht vor Angst an der grünen Ampel halten, aber unbedingt bremsbereit sein – und vor allem die Autos im Auge behalten. Blickkontakt mit dem Fahrer ist doppelt wichtig: Wer sich sieht, fährt sich nicht um. Und wen man selbst nicht sehen kann (im Rückspiegel oder durch die Scheibe), der kann einen meist ebenfalls nicht sehen.

Die Polizei will in diesem Jahr dem immer wieder erhobenen Vorwurf begegnen, bei ihren Kontrollen „zum Schutz des Radverkehrs“ lieber möglichst viele Radler abzukassieren, statt sich den häufigsten Unfallursachen zu widmen. Nach Auskunft eines leitenden Verkehrspolizisten sollen in diesem Jahr verstärkt „präventive Gespräche“ mit Autofahrern geführt werden, die unaufmerksam abbiegen.

Zwar könne man für einen unterlassenen Schulterblick ohne konkrete Gefährdung kaum Geldbußen verhängen, aber durch kombinierte Kontrollen von Abbiegefehlern und anderen Verstößen – etwa Telefonieren ohne Freisprecheinrichtung – wolle man möglichst viele erreichen. „Lieber in die Breite gehen“, statt sich auf allzu spezielle Einzelfälle zu konzentrieren, sei die Devise.

Die Polizei hat den Radverkehrsunfällen 2011 eine Sonderanalyse gewidmet. Demnach waren die Radler bei 41 Prozent ihrer Unfälle die Hauptverursacher und bei neun Prozent zumindest mitschuld. Auffällige Abweichungen gab es bei radelnden Kindern und Jugendlichen, die drei Viertel ihrer Unfälle selbst verursachten. Mit zunehmendem Alter sank die Quote zunächst, bevor sie bei den Senioren wieder auf 54 Prozent stieg.

Sofern die Radler selbst schuld waren, fuhren sie meist in falscher Richtung oder auf Gehwegen, fädelten sich unaufmerksam in den Verkehr ein oder schrammten im Stau gegen Autos. Doch für die mit großem Abstand häufigste Unfallursache waren abbiegende Auto- und Lkw-Fahrer verantwortlich: Fast 1500 Mal krachte es allein im Jahr 2011 deshalb. Deutlich abgeschlagen folgen Vorfahrtsverstöße der anderen und Crashs, wenn Autos aus Ausfahrten kommen.

Der ADFC will auf der Messe Velo Berlin am 23. und 24. März an seinem Stand Sicherheitstipps geben. ADFC-Vorstand Bernd Zanke rät Radlern, selbstbewusst auf der Straße zu fahren, wo immer es erlaubt ist – und zwar etwa auf der Linie, die die rechten Räder der Autos nehmen. „So ist man weit genug entfernt von öffnenden Autotüren und verhindert, dass sich ein Autofahrer in der eigenen Spur vorbeidrängelt“, sagt Zanke.

Wenn er dann angehupt oder angebrüllt werde, zücke er ein Faltblatt mit den Regeln, das er sich von der Internetseite der Polizei heruntergeladen und stets griffbereit in der Tasche habe.

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