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Nur keine Eile. Für die Bahn gebe es keinen Anreiz, bei Vollsperrungen zügig zu bauen, kritisiert der Chef des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg.

© dpa

Verkehrsverbund prangert an: Die Bahn kassiert für Umwege

Das Netz ist zu marode, die Investitionen sind zu niedrig und an die Interessen der Fahrgäste wird zu wenig gedacht. Diese Vorwürfe erhebt der Verkehrsverbund gegen den Konzern.

Bisher galt es als kleineres Übel, Bahnstrecken bei Bauarbeiten voll zu sperren. Jetzt aber sind dem Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) Zweifel gekommen. Durch die vorübergehende Einstellung des Betriebs mache die Bahn auch noch Kasse, warf VBB-Chef Hans-Werner Franz dem Konzern am Montag vor. Er stellte eine Qualitätsanalyse zum Netzzustand des Regionalverkehrs im Jahr 2012 vor. Fazit: Der Zustand des Netzes ist immer noch nicht befriedigend, es muss weiter gebaut werden.

Dennoch kritisierte Franz die üblichen Vollsperrungen, derzeit etwa an der Strecke Berlin-Rostock. Diese führe sogar dazu, dass Pendler sich vorübergehend ein Zimmer in Berlin mieten müssten, weil sich die Fahrzeit durch den Ersatzverkehr fast verdoppelt habe. Mit Vollsperrungen will die Bahn die Arbeiten schneller abschließen können als bei einem „Bauen unter dem rollenden Rad“. Auch die Kosten könnten steigen, sagte ein Bahnsprecher. Franz aber will nun bei jeder Baustelle prüfen, welche Variante für die Fahrgäste die wenigsten Nachteile bringt. Selbst bei einer Vollsperrung gebe es für die Bahn häufig keinen Anreiz, schnell zu bauen, kritisierte der VBB-Chef nämlich.

Beim Unterbrechen der Strecke zwischen Charlottenburg und Wannsee im vergangenen Jahr habe die Bahn für den längeren Umweg über Spandau insgesamt rund 1,24 Millionen Euro mehr kassiert, weil sie die Gebühren nach den zurückgelegten Kilometern berechne. Das Geld müssen die Länder aufbringen. Franz fordert, dass bei Umleitungen nur die Zahlungen für die kürzere Stammstrecke geleistet werden müssen.

Ohnehin stimmten die Höhe der Gebühren, die der Bereich Netz des Bahnkonzerns verlange, und die Investitionen in die Anlagen nicht überein. Die Bahn kassiere deutlich mehr Gebühren für die Nutzung der Bahnhöfe und Gleise, als sie in die Wartung der Anlagen stecke. Die Differenz trage erheblich zum Bilanzgewinn des Bahn-Konzerns bei, der 2012 bei 2,7 Milliarden Euro lag. Rund 75 Prozent davon stammten nach Angaben von Franz aus dem Netzbereich.

Würden alle Einnahmen wieder in die Anlagen gesteckt, könnte ein großer Teil der Langsamfahrstellen beseitigt werden, die weiter zu Zeitverlusten bei den Fahrgästen führten, sagte Franz. Auf 9,4 Prozent des Netzes in Berlin und Brandenburg – nämlich auf 423 Kilometern – konnte demnach 2012 nicht mit vollem Tempo gefahren werden. Insgesamt habe sich aber der Zustand des Netzes gebessert, lobte Franz auch einmal.

Die Bahn will nach eigenen Angaben in diesem Jahr 541 Millionen Euro in Bahnhöfe und Gleisanlagen investieren. Enthalten in dieser Summe sind allerdings auch Zahlungen des Bundes.

Auch bei der S-Bahn gebe es „Handlungsbedarf“, sagte Franz; hier prüfe allerdings der Senat die Qualität der Anlagen. Dort hat man dafür einen Arbeitskreis Infrastruktur eingerichtet.

Trotz der Mängel verteidigte Franz die zum 1. Juli geplanten Tariferhöhungen im Nahverkehr. Von 42 Unternehmen im Verkehrsverbund liefere nur eines eine schlechte Leistung ab: die Berliner S-Bahn. Diese hatte sich bei der Abstimmung zu den Tarifplänen nach Tagesspiegel-Informationen übrigens enthalten.

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