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Berlin: Verklausulierter Widerstand

Wowereit will längere Berlin-Formel im Grundgesetz. Bundes-SPD ist dagegen

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

In der Föderalismus-Kommission, so kursiert die Anekdote, habe ein süddeutscher Politiker kürzlich gesagt: „Es steht nichts fest, außer der Hauptstadtklausel.“ Seit Montag ist es umgekehrt. Die Reform des Bundesstaates nimmt Gestalt an, aber die Formel für die Hauptstadt zerbröselt. Entsprechend nüchtern war gestern die Stimmung im Senat. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) erstattete Bericht: Der Kompromiss, den die Kommission im Oktober gefunden hatte, sei ohne Vorwarnung aufgekündigt worden.

Wie berichtet, hatten sich die Vorsitzenden der Föderalismuskommission, Franz Müntefering (SPD) und Edmund Stoiber (CSU) darauf verständigt, das Grundgesetz nur um zwei kurze Sätze zu ergänzen: „Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland ist Berlin. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.“ Die zusätzliche Formulierung: „Die Repräsentation des Gesamtstaates in der Hauptstadt ist Aufgabe des Bundes“ wurde gestrichen. Und zwar ohne Abstimmung mit der Berliner Senatskanzlei, die die Hauptstadtklausel längst als gesichert ansah. Da habe sicher die Bundesregierung ihre Finger im Spiel gehabt, wurde gestern in der Senatssitzung vermutet. Das Kanzleramt, vielleicht auch das Bundesfinanzministerium hätten dafür gesorgt, dass nur diese zwei belanglosen Sätze übrig geblieben sind.

Offenbar im Zusammenspiel mit der SPD-Bundestagsfraktion, deren Vertreter in der Föderalismuskommission gemeinsam mit Bundesjustizministerin Brigitte Zypries bis zuletzt hinhaltenden Widerstand geleistet hatten. Und zwar deshalb, weil die finanziellen Ansprüche Berlins an den Bund, die sich aus der kompletten Hauptstadtklausel herleiten ließen, „schwer überblickbar“ seien. „Jetzt nicht klein beigeben“ – so lautete gestern die Parole, die Senatssprecher Michael Donnermeyer ausgab. Sie nährte die schwache Hoffnung, dass in der Schlussrunde der Kommission am Freitag doch noch zugunsten Berlins nachgebessert werde. „Wenn das nicht klappt, wird Berlin auf den Status quo zurückgeworfen.“

Das sieht die Opposition in Berlin anders. „Wir sollten uns an dieser Stelle nicht verkämpfen“, mahnte der Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann, der mit Wowereit in der Föderalismuskommission sitzt. Die gekürzte Hauptstadtklausel sei „nicht schön, aber auch nicht kriegsentscheidend“. Offenbar habe die Bundesregierung den – nunmehr gestrichenen – Satz als „Topf mit kleinen Kobolden“ angesehen. „Da weiß man nie, was alles so rausspringt.“ Vielleicht sogar einklagbare Ansprüche Berlins.

Nun müsse die Rolle Berlins zwischen Bund und Ländern „in Gesetzen und Vereinbarungen frei ausgestaltet“ werden, sagte Ratzmann. Das sieht der FDP-Fraktionschef Martin Lindner ähnlich. „Ohne eine Unterfütterung durch Verträge und Gesetze läuft doch jede Hauptstadtklausel leer.“ Bund und Länder müssten verbindlich festlegen, „was der Bund für die Hauptstadt und Berlin als Kommune zu leisten habe“. Ratzmann, Lindner und der CDU-Fraktionschef Nicolas Zimmer warfen Wowereit vor, für solche Verhandlungen kein Konzept zu haben. Er sei als Regierungschef überfordert. Zimmer forderte erneut ein „Leitbild für Berlin“. Ergänzt durch „klar definierte Ziel- und Finanzvorgaben“. Auf dieser Grundlage sei die CDU bereit, gemeinsam mit dem Senat für die Interessen Berlins zu arbeiten.

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