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Unter Druck. Alexander Grebennikovs Bücher verkaufen sich gut. Gewinn macht er nicht. Foto: Doris Spiekermann-Klaas

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Berlin: Verleger in Verlegenheit

Der Russe Alexander Grebennikov hat in Berlin eine Firma für Reiseführer gegründet. Sechs Angestellte arbeiten dort. Doch das Unternehmen macht keinen Gewinn – ein Problem für die Behörden. Sie wollen den Chef und seine Familie abschieben.

Ausgerechnet ein Russe macht sich um das deutsche Ferienstraßennetz verdient. Wer kennt schon die Dinosaurier-Straße von Berlin nach Wien oder die Niedersächsische Spargelstraße? Der Berliner Verleger Alexander Grebennikov glaubt fest an das touristische Potenzial der rund 200 Ferienstraßen und den Erfolg seiner Reiseführerserie. Andere glauben nicht daran: die Ausländerbehörde und die Senatsverwaltung für Wirtschaft. Grebennikov, der seit vier Jahren in Berlin lebt und arbeitet, soll samt Familie nach Russland ausreisen. An seinem Unternehmen bestehe kein „wirtschaftliches Interesse“. Kommt der Verleger der Aufforderung nicht nach, droht ihm die Abschiebung. Die Ausländerbehörde hat bereits die Pässe der Familie eingezogen.

Grebennikovs Verlag beschäftigt sechs Mitarbeiter, hat aber seit der Gründung 2006 keine Gewinne gemacht. Die Ausländerbehörde verweist in einem Schreiben an den Verleger auf seinen eigenen Businessplan. Danach hätte Grebennikov bis Ende 2009 einen Gewinn von fast 10 Millionen Euro aufweisen und 19 Arbeitsplätze schaffen wollen. Man habe immer wieder Fristen verlängert, damit diese Vorgaben „ansatzweise realisiert werden“. Doch inzwischen ist der Behörde der Geduldsfaden gerissen.

Grebennikov gibt zu, dass der Start seines Verlages schwieriger war als erwartet und seine ursprüngliche Idee, Bildbände herauszubringen, nicht funktioniert hat. Sein Businessplan von 2007 war deutlich zu optimistisch, aber schließlich liefen die Geschäfte beim Mutterverlag in Moskau gut, davon hatte sich auch die deutsche Botschaft überzeugt. Grebennikov ärgert besonders, dass Ausländerbehörde und Senatsverwaltung für Wirtschaft zu seinen Lasten anführen, 2006 und 2007 habe der Umsatz des Verlags 0 Euro betragen. Grebennikov bekam erst 2008 die Einreiseerlaubnis nach Berlin.

Ein Gutachten des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, in dem Grebennikov Mitglied ist, beschreibt es als „normal, dass neu gegründete Verlage mehrere Jahre Verluste schreiben“. Auch etablierte Buchverlage müssten viele ihrer Neuerscheinungen „quersubventionieren“. Im Fall Grebennikov kommen die Subventionen direkt von der Muttergesellschaft in Moskau. Jedes Jahr mindestens 200 000 Euro. Insgesamt setzt der Verlag nach Angaben Grebennikovs derzeit rund 400 000 Euro um. Der Verleger fragt sich nun, warum Berlin auf dieses Geld verzichten möchte. „Ich könnte ja auch nach Wien ziehen und das Geld dort ausgeben.“ Der Verleger hat eine Petition im Abgeordnetenhaus eingereicht und einen Brief an den Innensenator geschrieben. Seine Anwältin hat gegen die Entscheidung der Ausländerbehörde Klage eingereicht. Grebennikov will Deutscher werden, von Putins Russland hält er nicht viel. Wenn es in Berlin nicht klappt, werde er sein Glück woanders versuchen. „Viele Russen gehen nach Kanada, Australien oder Lettland, weil es in Deutschland Probleme gibt.“

Die Senatsinnenverwaltung will sich zu dem konkreten Fall nicht äußern, verweist aber auf das Aufenthaltsgesetz. Danach sei die „Tragfähigkeit der Geschäftsidee“ entscheidend. Unternehmen müssten im Wettbewerb bestehen können. „An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn ein Unternehmen auch nach mehreren Jahren keine Erträge erzielt und lediglich durch finanzielle Unterstützung aus der Muttergesellschaft am Leben erhalten wird.“

Doch Grebennikov ist kein Einzelfall, sagt Burkhard Volbracht von Berlin-Partner. Die Wirtschaftsförderer betreiben den „Business Immigration Service“ und beraten Unternehmer im Umgang mit der Ausländerbehörde. Dabei gibt es laut Volbracht für Antragsteller, die keinen direkten Zugang zur Behörde haben, erhebliche Kommunikationsprobleme. Die Ausländerbehörde sei wegen Personalmangels „stark überlastet“ und entscheide fast ausschließlich nach Aktenlage. Für Antragsteller seien keine Termine vorgesehen, um ihre Sache persönlich vorzubringen. Das sei für Firmengründer aus Osteuropa oder Asien sehr irritierend. Bis vor einigen Monaten existierte noch ein „Willkommensschalter“ der Behörde im Ludwig-Erhard-Haus – dort sind auch die Industrie- und Handelskammer und Berlin-Partner untergebracht, doch der Schalter sei wieder geschlossen worden.

Aus Russland gebe es derzeit einen regen Zustrom von Existenzgründern und Investoren, trotz der fehlenden Willkommenskultur, sagt Volbracht. „Von außen betrachtet gelten wir als schwierig.“

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