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Berlin: Verloren im Osten

Nach der Wahl stellt sich die Berliner CDU die Frage, was sie im Ostteil der Stadt tun muss, um wieder Volkspartei zu werden

Ein einsamer Mann steht am Abend der Bundestagswahl auf dem Dach des Pankower Kreiswahlamtes, kurz vor den ersten Hochrechnungen. Da ahnt er bereits, wie er, Günter Nooke, und seine Partei, die CDU, im Wahlkreis 77 abschneiden werden. Der Horizont glüht rot, bevor die Sonne untergeht.

Ein Moment, der als Symbol steht für das Ergebnis Nookes und das der Berliner CDU. Die Union hat in Berlin „unterirdisch abgeschnitten“ wie der Chef eines CDU-Kreisverbandes sagt. Das Ziel waren mindestens 30 Prozent, herausgekommen sind knapp 22 Prozent. Schlimmer noch, in den Ostbezirken droht die Union eine Splitterpartei zu werden. Dort kam die Union auf gerade mal 13,6 Prozent. „Vom Anspruch, eine Volkspartei zu sein, ist die CDU mit diesem Ergebnis meilenweit entfernt“, sagt deshalb ein nicht ganz unbedeutender Bezirkspolitiker, der anonym bleiben will.

Will die Union in Berlin wieder zur Volkspartei werden, muss sie auch und gerade im Osten anders wahrgenommen werden, da sind sich die Unionisten einig. Doch nach der jüngsten Niederlage scheint die Partei ratlos, welcher Weg sie zu diesem Ziel führen könnte.

Mario Czaja zum Beispiel, Chef des Kreisverbandes Wuhletal, kritisiert den „Umgang mit den alten Eliten“ aus der DDR. Er denkt an vergangene Rote-Socken-Kampagnen und dergleichen. Zudem sei die Union in Hellersdorf-Marzahn vor allem in den Plattensiedlungen bei den entscheidenden Themen wie Arbeitslosigkeit nicht als Partner wahrgenommen worden. „Die Leute haben sich von uns im Stich gelassen gefühlt.“ Ein Grund sei, so Czaja, „dass es der Berliner CDU seit 2001 an glaubwürdigen Personen fehlt, die diesem Dilemma mit überzeugenden Lösungen begegnen.“

Dirk Stettner dagegen, Kreischef in Pankow, glaubt nicht, „dass wir uns auf eine Klientel ganz besonders konzentrieren können und hoffen dürfen, dass dann alles gut wird“. Er will künftig stärker auf Familien- und Bildungspolitik setzen und überhaupt vermitteln, „warum die Union nicht kalt ist, sondern sozial“.

Sozial, das ist die Losung, die in den Gesprächen immer wieder ins Zentrum rückt. Sowohl Czaja als auch Stettner betonen, dass sie „die Ost-West-Debatte“ nicht mehr hören“ können. Andererseits ist es auch so, dass sie auf die „unbestritten besonderen Bedürfnisse“ in ihren Bezirken hinweisen. Und dass ein ganz besonders starkes Bedürfnis dort jenes nach einer sozialen Politik ist – „mehr als in Zehlendorf“, wie Stettner sagt. Auch deshalb ist die Berliner CDU im Westen mehr als doppelt so stark wie im Osten.

Aber wie erscheint man plötzlich sozial, wenn man eben noch sicher geglaubte Stimmen verloren hat, weil die Wähler die CDU als kalt und unsozial wahrgenommen haben? Und: Ist das Spitzenpersonal der Union das richtige, um die Ostwähler zu überzeugen? „Unser Generalsekretär zum Beispiel ist ein Ossi“, sagt Czaja knapp. Und schließlich habe man mit Eberhard Diepgen, einem Vorzeige-Wessi, im Osten Spitzenergebnisse von knapp 25 Prozent erzielt. Auch Stettner sagt: „Man hat doch im Bund gesehen, dass eine Kandidatin mit einer Ost-Biografie keine Stimmen bringt.“

Was das für die Suche nach dem Spitzenkandidaten für die Abgeordnetenhauswahl 2006 bedeutet? Darüber, heißt es unisono, gebe es öffentlich nichts zu sagen.

Marc Neller

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