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Berlin: „Verluste verlangsamt“

Der scheidende AOK-Chef Rolf Müller über Mitgliederschwund, Millionenhilfen und Fusionen

Herr Müller, nach elf Jahren als Vorstandsvorsitzender der Berliner AOK gehen Sie am 30. Juni vorzeitig in den Ruhestand, obwohl Ihr Vertrag bis 2009 läuft. Wieso?

Ich hatte von Anfang an aus persönlichen Gründen geplant, mit Ablauf des 63. Lebensjahres aufzuhören, das war im Oktober 2006. Auf Bitten des Verwaltungsrates mache ich bis zur Jahresmitte weiter. 2003, als mein Vertrag bis 2009 verlängert wurde, ließ das – inzwischen geänderte – Gesetz für Kassenvorstände nur Vertragslaufzeiten von sechs Jahren zu.

Was werten Sie als Ihre größten Erfolge an der Spitze der Berliner AOK?

Wir haben eine hervorragende Mannschaft, die Bemerkenswertes erreicht hat. So ist es uns gelungen, 2002 mit dem landeseigenen Klinikkonzern Vivantes ein Budget mit fünf Jahren Laufzeit abzuschließen, das eine jährliche Absenkung um 20 Millionen Euro vorsah. Das war für beide ein Gewinn: Die Krankenkassen wurden entlastet und Vivantes bekam Planungssicherheit. Auch unser bundesweit einmaliges Pflegeheimmodell, das die ambulante ärztliche Versorgung durch Ärzte in den Heimen regelt, ist ein Erfolg. Ebenso rechne ich die Onkologie- und die Home-Care-Vereinbarung, die eine bessere und gleichzeitig kostengünstigere Betreuung von Krebs-Patienten zu Hause ermöglicht, auf die Habenseite.

Auf der anderen Seite hat die AOK Berlin mit 15,8 Prozent den bundesweit höchsten Beitragssatz. Und sie ist trotzdem abhängig von den AOKs der anderen Bundesländer, die jährlich rund 106 Millionen Euro in ihre Berliner Schwesterkasse pumpen.

Die Berliner Gesundheitseinrichtungen verursachen einigungsbedingt bundesweit überdurchschnittlich hohe Kosten, die auch andere große Versorgerkassen spüren. Nur weil diese bundesweit organisiert sind, werden die Finanztransfers nicht so öffentlich diskutiert wie bei den landesweit organisierten AOKs. Außerdem haben wir einen höheren Anteil von einkommensschwachen Mitgliedern und von schwerkranken, alten Versicherten, die mehr Kosten verursachen. Im Übrigen hat uns eine unabhängige Unternehmensberatung bescheinigt, dass die Konsolidierung der AOK Berlin sehr gut funktioniert. Wir haben unsere Ausgaben gegenüber 2002 um rund 400 Millionen Euro gesenkt – und das entgegen dem Bundestrend, denn die meisten Kassen müssen mehr ausgeben.

Die AOK Berlin ist die größte Krankenkasse in der Hauptstadt. Aber sie verliert Marktanteil – allein seit 2002 von damals 636 000 auf jetzt 560 000 Mitglieder.

Dieser Trend ist gebrochen. In den letzten zwei Jahren hat sich der Mitgliederverlust verlangsamt, auch weil wir gegenüber den – bei den Beiträgen oft billigeren – Betriebskrankenkassen eine bessere Betreuung zum Beispiel durch ein dichtes Geschäftsstellennetz und spezielle Versorgungsangebote bieten.

Kürzlich fürchtete die Berliner Gesundheitssenatorin Karin Lompscher um den Fortbestand der AOK Berlin, wenn die Gesundheitsreform Wirklichkeit wird. Denn diese benachteilige die Krankenkassen, die Menschen mit hohen gesundheitlichen Risiken und geringen Einkommen versichern. Nun ist die Reform in Kraft. Steht die AOK Berlin jetzt vor ihrem Ende?

Nein, eher im Gegenteil. Ich erwarte, dass der veränderte Risikostrukturausgleich – also die Ausgleichszahlungen der Kassen mit günstiger Versichertenstruktur an die Kassen mit vielen Schwerkranken und Geringverdienenden – den Nachteil der großen Versorgerkassen wesentlich gerechter ausgleicht als bisher.

Die Vereinbarung über die finanzielle Unterstützung der AOK-Familie läuft 2007 aus. Wird die AOK Berlin selbstständig bleiben oder muss sie fusionieren?

Wir prüfen derzeit alle Optionen, auch die einer Fusion. Allerdings gibt es auch andere Möglichkeiten einer kostensparenden Zusammenarbeit zwischen den Kassen, ohne Verschmelzung. So haben über das AOK-System hinaus acht Ortskrankenkassen – darunter die AOK Berlin – mit der Barmer Ersatzkasse ein gemeinsames Rechenzentrum aufgebaut.

Wie sieht Ihre persönliche Zukunft aus?

Ich bleibe Berlin erhalten, zum Beispiel als Berater für Präventionsangebote in der Gesundheitsregion.

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