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Vernachlässigte Kinder: Mutter wird vernommen

Im Fall der vier vernachlässigten Berliner Kinder hat die Polizei Ermittlungen wegen Verletzung der Fürsorge und Erziehungspflicht gegen die 46-jährige Mutter aufgenommen. Die Kinder wurden in einem Heim untergebracht.

Berlin - Sie werde vernommen, sagte ein Polizeisprecher. Zu den Aussagen der Mutter teilte die Polizei nichts mit. Die Frau halte sich derzeit bei ihrem Freund auf. Den bisherigen Erkenntnissen nach soll sie ihre Kinder fast ein Jahr allein in der Wohnung zurückgelassen haben. Die zwei Mädchen und zwei Jungen im Alter von acht bis zwölf Jahren sind nach Angaben einer LKA-Expertin vorläufig zusammen in einem Heim untergebracht. Möglicherweise werde der Mutter das Sorgerecht entzogen und ein Teilbereich künftig auf das Jugendamt übertragen.

Der zwölfjährige Sohn hatte sich nach Polizeiangaben verzweifelt an das Jugendamt gewandt und um Hilfe gebeten. Seit vergangenem Sommer musste er demnach seine Geschwister im Alter von acht, neun und elf Jahren alleine versorgen, da die Mutter zu ihrem ihrem Freund gezogen war. Die Frau ist alleinerziehend. Über den Vater der Kinder liegen der Polizei bislang noch keine Kenntnisse vor.

Kein Handlungsbedarf

Die Nachbarn sahen jedenfalls keinen großen Handlungsbedarf. "Die Kinder machten immer einen munteren Eindruck. Sie wirkten nicht im mindesten verwahrlost", sagte die Nachbarin Patricia Mack der "Berliner Morgenpost". Auffällig sei lediglich die Kleidung gewesen: "Grellbunt, irgendwie flippig".

Unklar ist weiterhin, wie die Situation der Kinder so lange unentdeckt bleiben konnte. Die Mutter habe die Probleme wohl verdrängt und sich nur um ihre eigenen Interessen gekümmert, sagte die Leiterin des Fachkommissariats für Delikte an Schutzbefohlenen beim Landeskriminalamt (LKA) Berlin, Gina Graichen, dem RBB-Inforadio.

Not wird vor den Nachbarn verborgen

Dass niemand Verdacht schöpfte, erklärte sich Graichen vor allem damit, dass der Junge alles versucht habe, damit nichts nach außen dringt. Er habe sich bemüht, dass alles so weit in Ordnung erscheine, dass "sich da niemand einmengen kann", sagte sie. Die Mutter habe sich bei ihr gemeldet. Dabei habe sie sich ganz normal verhalten, "weder hyperbesorgt, noch mit schlechtem Gewissen". Graichen fügte hinzu: "Ich fürchte, es ist ihr nicht richtig bewusst, was sie getan hat".

Solche Verwahrlosungen ereignen sich nach Einschätzung des Kinderpsychologen Oliver Bilke vor allem in städtischen Gebieten bei ärmeren Familien. Die Not werde dann auch vor den Nachbarn verborgen. "Die Kinder wollen ja nicht auffallen. Das ist in der Anonymität der Großstadt einfacher", sagte er der dpa.

"Wenn eine Seite sich immer mehr zurückzieht, dann ziehen sich die anderen auch zurück oder speichern das ab als schlechte Erziehung", sagte der Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Vivantes-Klinikum Berlin auf die Frage, warum den Nachbarn der Kinder über Monate deren Vernachlässigung nicht aufgefallen ist. (tso/dpa)

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