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Ein Polizeibeamter und ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes stehen vor einem Lokal in Berlin.

© Paul Zinken/dpa

Exklusiv

Verstöße gegen den Infektionsschutz: Bezirk Mitte ist Spitzenreiter bei den Corona-Anzeigen in Berlin

Viel angezeigt, wenig geahndet: Die Bezirke haben 2020 mehr als 22.000 Verstöße gegen Corona-Auflagen registriert. Die meisten Verfahren wurden eingestellt.

Erstmals gibt es Zahlen der Bezirke zu Verstößen gegen den Corona-Infektionsschutz in Berlin. Seit März, dem Beginn der Pandemie, wurden im Jahr 2020 genau 22.536 Ordnungswidrigkeitenverfahren von den Bezirken eingeleitet.

Allerdings haben drei Bezirke dem Senat keine Zahlen übermittelt, nämlich Charlottenburg-Wilmersdorf, Marzahn-Hellersdorf und Tempelhof-Schöneberg.

Die Gesamtzahl dürfte also deutlich höher liegen, vermutlich bei über 30.000. Denn unter den beiden Bezirken, die nicht antworteten, gehören zwei Innenstadtbezirke.

Mit großem Abstand ist der Bezirk Mitte Spitzenreiter mit allein 7519 Verstößen, dahinter folgt Friedrichshain-Kreuzberg mit 3730. Am wenigsten Anzeigen gab es in Spandau (767) und in Steglitz-Zehlendorf (827).

Die Zahlen abgefragt hat der AfD-Abgeordnete Herbert Mohr, die Antwort der Innenverwaltung liegt dem Tagesspiegel exklusiv vor. Zudem hat die Polizei im Jahr 2020 weitere 10.400 Ordnungswidrigkeiten-Anzeigen geschrieben sowie 1500 Strafanzeigen. Diese Zahlen hatte Innensenator Geisel (SPD) im Dezember genannt.

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Geahndet wurden im ersten Corona-Jahr von den Bezirken nur 8552 Anzeigen. Der Rest wurde eingestellt, wieso wurde nicht genannt.

Ein Vergleich mit der Gesamtzahl 22.536 ist nur eingeschränkt möglich, da die beiden Innenstadtbezirke Charlottenburg-Wilmersdorf und Tempelhof-Schöneberg immerhin die Zahl der Ahndungen übermittelt haben. Und da liegt Charlottenburg-Wilmersdorf mit 1398 bereits auf dem zweiten Platz hinter Friedrichshain-Kreuzberg mit 1978.

Ein Vergleich zwischen Anzeigen und Ahndungen ergibt erhebliche Unterschiede zwischen den Bezirken. In Reinickendorf wurden 63 Prozent der Anzeigen geahndet, in Mitte nur 17 Prozent. Von den 7519 registrierten Verstößen wurden nur 1299 geahndet. 

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Eine ähnlich schlechte Quote hat Neukölln mit 19 Prozent. Ein Grund nennen weder die Bezirke noch die Innenverwaltung. Auch eine Gesamthöhe der verhängten Bußgelder wird nicht genannt, obwohl der AfD-Abgeordnete danach gefragt hatte. 

Manche Bezirke antworteten gar nicht oder nur teilweise

Herbert Mohr, der gesundheitspolitische Sprecher der AfD, sagte: „Einem Virus mit Ordnungswidrigkeiten-Anzeigen zu begegnen, hat sich als vollkommen unzulänglich erwiesen. Das zeigen die Gesamtzahl sowie das Verhältnis der festgestellten Verstöße zu wirklichen Ahndungen. Hinzu kommt, dass die aktuelle Corona-Verordnung zu Ausgangsbeschränkungen ohne den am Sonntag versäumten Beschluss durch das Abgeordnetenhaus ohnehin unwirksam ist. Die Polizei soll wieder Verbrecher jagen und nicht für die Gängelung der Bürger missbraucht werden. Wir setzen auf die Eigenverantwortung der Berliner im Umgang mit Corona. Rot-Rot-Grün hat wiederholt bewiesen, dass es keinen sinnvollen Beitrag zur Bewältigung der Krise leisten kann. Das anhaltende Impf- und Testchaos sprechen für sich.“

Wieso manche Bezirke gar nicht oder nur teilweise antworteten, konnte ein Sprecher der Innenverwaltung nicht erklären. Marzahn-Hellersdorf hat gar nicht geantwortet, Tempelhof-Schöneberg und Charlottenburg-Wilmersdorf haben die Zahl der Fälle nicht übermittelt, Steglitz-Zehlendorf nicht die Zahl der Ahndungen.

Mitarbeiter der Verkehrsüberwachung abgezogen und für Corona eingesetzt

Der Monat mit den meisten Anzeigen war der April, also im ersten Lockdown, mit 5020. Daraus resultierten aber nur gut 800 Ahndungen. Es fällt auf, dass die Quote der Ahndungen seit Oktober deutlich gestiegen ist. Denn die Mitarbeiter der Ordnungsämter wurden von der Verkehrsüberwachung abgezogen und für Corona eingesetzt.

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Im August 2020 hatte der Senat beschlossen, "den Allgemeinen Ordnungsdienst (AOD) von den Aufgaben der Verkehrsüberwachung zu entlasten und der Kontrolle des Corona-Infektionsschutzes Vorrang einzuräumen", wie es in der Antwort der Innenverwaltung auf die Anfrage der AfD heißt. Damit die Verkehrsüberwachung nicht ganz eingestellt wird, werden seit Anfang Oktober 2020 240 Parkraumüberwachungskräfte in zehntägigen Sonderkursen zu Verkehrsüberwachungskräften weiterqualifiziert.

Diese 240 Kräfte sind jetzt befristet bis zum 30. September 2021 für die Verkehrsüberwachung abgeordnet. Auf deutsch: Falschparker werden nicht mehr kontrolliert, damit der Rest der Verkehrsüberwachung weitergehen kann. 

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