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Berlin: Versuch einer Ehrenrettung

Der von der Justizsenatorin entlassene Staatssekretär Christoph Flügge trat im Rechtsausschuss auf

Von Sabine Beikler

Die Urlaubsbräune kann seine Nervosität nicht kaschieren. Christoph Flügge knetet seine Finger, beißt sich auf die Lippen, sein Blick ist starr auf Andreas Gram (CDU), den Vorsitzenden des Rechtsausschusses im Abgeordnetenhaus, gerichtet. Der im Februar entlassene Justizstaatssekretär wartet am Mittwoch darauf, den Ausschussmitgliedern seine Stellungnahme vorzutragen, um die er selbst gebeten hat. Als er das Wort hat, teilt Flügge hart aus, vor allem gegen Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD). Gegen ihn erhobene Vorwürfe im Zusammenhang mit der Medikamenten-Affäre seien „haltlos. Ich weise sie zurück und erwarte von der Justizsenatorin eine entsprechende Klarstellung“. Flügge empfindet einzelne Vorhaltungen nach eigenen Worten als „persönlich ehrabschneidend“.

Nach Bekanntwerden der Medikamenten-Affäre in der Haftanstalt Moabit wurde Flügge von der Justizsenatorin in den Ruhestand geschickt. Sie begründete ihren Schritt mit dem fehlenden persönlichen Vertrauensverhältnis. Flügge wiederum sagt, bis heute habe er keine Begründung für seine Entlassung erhalten.

Der Staatssekretär a. D. hörte an diesem Mittwoch weder eine Begründung noch eine von ihm geforderte Klarstellung. Von der Aue wies im Gegenzug Flügges Vorwürfe zurück. Ein „eventuelles Fehlverhalten“ von Flügge könne nur durch staatsanwaltschaftliche Ermittlungen festgestellt werden. Sie selbst habe ihm nichts unterstellen wollen. Die von ihr eingesetzte Untersuchungskommission habe ihre Arbeit noch nicht abgeschlossen. „Die Untersuchung ist noch nicht beendet.“ Die bisherigen Ergebnisse würden zurzeit „ausgewertet“.

Die Untersuchungsgruppe zog Mitte April ein vernichtendes Fazit: Jahrelang habe in der Medikamentenversorgung Chaos und „Ignoranz bei den Verantwortlichen“ geherrscht, so der Leiter der Kommission, Werner Heinrichs. Wie berichtet unterschlugen Bedienstete über Jahre hinweg Medikamente, die für Gefangene bestimmt waren oder orderten Arzneimittel – auch ohne ärztliche Unterschriften.

Bei Nachfragen über Rechnungen für Medikamente wurden Mitarbeiter der Vollzugsverwaltung in Moabit häufig zurechtgewiesen. Flügge wies am Mittwoch Zeugenaussagen zurück, wonach sich bei Rückfragen Anstaltsärzte bei ihm telefonisch Rückendeckung geholt haben sollen. „Es hat nie solche Anrufe bei mir gegeben.“ Zeugen berichteten ferner, dass Versuche von Pflegekräften, die Arzneimittelvergabe umzuorganisieren, scheiterten. Flügge: „Ich habe nie dafür gesorgt, dass derartige Versuche zur Verbesserung – wenn es sie denn gab – im Sande verlaufen seien.“ Er wertete „derartige Darstellungen im Verantwortungsbereich der Senatorin für Justiz“ als „rechtspolitischen Skandal“.

Neue Erkenntnisse förderte die Ausschusssitzung nicht zu Tage. Klaus Lederer, rechtspolitischer Sprecher der Linkspartei, sprach von einem „Pingpong-Spiel“ beider Seiten. SPD-Rechtspolitiker Fritz Felgentreu vermochte angesichts der „konfrontativen Position“ und des „Streits zwischen zwei SPD-Politikern“ – Flügge und von der Aue – keine Bewertung abzugeben. Statt „rückwärtsgewandter Fragen“ müsse man aus den Ergebnissen der Untersuchungsgruppe Konsequenzen für die Medikamentenvergabe in den Haftanstalten ziehen.

Der Rechtsausschuss hat jetzt Akteneinsicht in die Untersuchungsberichte beantragt. Ob ein von CDU und FDP ins Gespräch gebrachter Untersuchungsausschuss eingesetzt wird, ist eher unwahrscheinlich. Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen laufen noch.

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