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Berlin: Veteranen am Rollfeld

Gestern wurde in Tempelhof gefeiert – und für die Offenhaltung geworben

John wartet auf das wackelnde Flugzeug. Fasziniert blickt der Junge aus dem großen Fenster im Restaurant des Flughafens Tempelhof – auf die vielen kleinen Flugzeuge auf dem Rollfeld. Die vielen Menschen in dem großen Raum hinter ihm ignoriert er einfach. Sie alle sind zu der Party am Sonnabend gekommen: Die „Interessengemeinschaft City-Flughafen Tempelhof“ (ICAT) will noch einmal für ihr Anliegen werben, das Volksbegehren für die Offenhaltung des Flughafens.

Fragt man John, was er an diesem Tag hier macht, sagt er schlicht „rausgucken“. „Wir sind hergekommen, um ihm die Geschichte von den Rosinenbombern zu erzählen“, ergänzt seine Mutter, Rosi Kellner. „Und weil der Flughafen Tempelhof zu Berlin gehört“, wirft Johns Großtante, Annelise Donnely, ein. Und dann erzählt sie von ihrem „alliierten Ehemann“. Nach ihm, einem Schotten, der als Soldat nach Berlin kam, ist sein Großneffe, der kleine Flugzeuggucker John, benannt. „Mein Mann war zwar kein Pilot, aber das hängt doch alles zusammen“, sagt Annelise Donnelly. Und meint damit zum Beispiel einen anderen „Alliierten“, den „Candyman“ Gail Halvorsen, der als erster Pilot nach dem Zweiten Weltkrieg Süßigkeiten für die Berliner Kinder an kleinen Fallschirmen abwarf. Bei der Party ist der heute 87-Jährige der Ehrengast und muntert die Tempelhof-Unterstützer mit einer Rede auf.

Die große Halle des Flughafens ist noch einmal so voll wie schon lange nicht mehr. Wenn Gail Halvorsen damals seine süßen Bomben abwarf, wackelte er zum Gruß oft mit den Flügeln. Deshalb soll später am Tag noch ein Flugzeug auf eben diese Weise von den Restaurantfenstern aus gut sichtbar vorbeifliegen. Das wird dann der Tageshöhepunkt für den kleinen John. Seine Mutter will danach unbedingt noch mit zu einem der Bezirksämter fahren, um für den Weiterbetrieb des Flughafens zu stimmen. Zu diesem Zweck hat die Fluggesellschaft Windrose Air einen Shuttle-Service bereit gestellt. „Will noch jemand mitfahren?“, ruft einer der Chauffeure gerade. Sein Klein-Bus ist schnell voll.

Ingeborg Angelow und 134 andere Grunewalder sind im Reisebus erst zum Bezirksamt und dann zur Party gefahren. Reiseveranstalter Gunter Bothfeld hat sich die Tour ausgedacht: „Wir müssen Tempelhof doch unterstützen. Sonst hat Berlin bald gar keinen Flughafen mehr. Schönefeld liegt schließlich in Brandenburg.“ Ingeborg Angelow wirft ein: „Tempelhof ist genauso wichtig für Berlin wie die Gedächtniskirche.“ Wie viele andere Partygäste hat die „Reisegruppe“ eine Führung durch das Gebäude mitgemacht und sogar den Bunker gesehen.

„Als die Tür zuging, habe ich Angst bekommen“, sagt eine von Ingeborg Angelows „Mitreisenden“. „Ich habe den Krieg doch als Kind miterlebt.“ In diesem Alter ist die Mehrheit der Partygäste. Sie essen belegte Brötchen und trinken „Lufthansa- Schnäpschen“. Dann lauschen sie dem Gesangsveteranen Gunter Gabriel, der auf der Bühne „Ich brauche mehr Geld“ ins Mikrofon röhrt. „Hände weg von Tempelhof“ heißt eine CD, die am Ausgang für zehn Euro verkauft wird. Anschließend gibt Gabriel Autogramme – fast ausschließlich an Frauen jenseits der 60. Einige haben bestimmt noch die Rosinenbomber miterlebt. Daniela Martens

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