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Sicherheit im Blick. Während Kameras in den U-Bahnhöfen und den meisten Fahrzeugen der BVG Standard sind, werden nur wenige S-Bahnhöfe überwacht.

© IMAGO

Videoüberwachung: Senat droht S-Bahn wegen fehlender Kameras

Nach der Polizeigewerkschaft verlangt auch die Landesregierung, dass der Verkehrskonzern alle Stationen aus Sicherheitsgründen überwachen soll. Und die Polizei fasst dank Videos zwei jugendliche Räuber.

Begonnen hat die Diskussion um verstärkte Kameraüberwachung bei der S-Bahn nach mehreren Gewalttaten in den vergangenen Tagen. Jetzt wird sie nicht nur durch einen Fahndungserfolg sowie eine neue Tat befeuert, sondern auch durch politischen Druck: Verkehrsstaatssekretär Christian Gaebler (SPD) signalisierte Zweifel, ob die S-Bahn als Verkehrsunternehmen auf Dauer geeignet sei, wenn dort die Privatsphäre der Mitarbeiter mehr zähle als die Sicherheit von Fahrgästen und Personal.

Die Polizei meldete am Samstag die Festnahme der beiden Jugendlichen, die am Nachmittag des 28. September eine 80-Jährige in Weißensee überfallen und durch einen Messerstich in den Oberkörper schwer verletzt hatten. Am Freitagabend wurde gegen 21 Uhr ein 16-Jähriger zu Hause festgenommen, sein 17-Jähriger Komplize am Samstagmittag in der Wohnung seiner Ex-Freundin. Laut Polizei hatte es nach dem Abdruck der Bilder in Zeitungen mehrere Hinweise auf die beiden gegeben. Identifiziert wurden sie auf den Fotos durch Beamte des auf Jugendgruppengewalt spezialisierten Kommissariates OGJ. Dem Vernehmen nach ist mindestens einer der beiden einschlägig bekannt. In einer ersten Vernehmung gab der 16-Jährige zu, bei dem dem Überfall dabei gewesen zu sein. Er will aber nicht zugestochen haben. Der 17-Jährige schwieg bei der ersten Vernehmung. Eine Entscheidung, ob die Tatverdächtigen wegen schweren Raubes in U-Haft müssen, sollte noch am Sonnabend fallen. Beide sind Deutsche. Nach Angaben des Präsidiums ist der schnelle Ermittlungserfolg der Veröffentlichung der Bilder zu verdanken.

Wie berichtet, war die 80-Jährige mit ihrem Fahrrad in der Parkstraße unterwegs, als sie am Eingang zur Grünanlage am Weißen See von zwei Jugendlichen angehalten und zur Herausgabe ihrer Handtasche aufgefordert worden war. Als die Seniorin um Hilfe schrie, stach einer der Räuber ihr in den Oberkörper. Anschließend flüchteten die Jugendlichen ohne Beute – und passierten die Überwachungskamera eines Lokals im Park. Die Polizei sicherte die Bilder und veröffentlichte sie am Donnerstag. In der Beschreibung hatte sie das Alter der Täter recht präzise auf 15 bis 16 Jahre geschätzt.

Auch bei einem weiteren Verbrechen erhofft sich die Polizei Erkenntnisse durch Kamerabilder: Am Freitag kurz vor Mitternacht hatte eine Passantin auf dem U-Bahnhof Osloer Straße einen schwer verletzten 19-Jährigen gefunden. Alarmierte Polizisten konnten in der Nähe einen 17- und einen 19-Jährigen festnehmen. Der Jüngere behauptete, dass das spätere Opfer auf dem Bahnsteig auf ihn zugerannt und er von einem Angriff ausgegangen sei. Daraufhin habe er zugeschlagen. Die Polizei wertet nun die Aufnahmen der Kameras aus dem Bahnhof aus. Das Opfer kam mit gebrochenem Kiefer in ein Krankenhaus, der 17-Jährige in die Gefangenensammelstelle.

Bei der S-Bahn wird bisher nur auf wenigen größeren Stationen aufgezeichnet. Andere Kameras dienen nur der Zugabfertigung durch die Fahrer, viele Bahnhöfe haben gar keine. Für Verkehrsstaatssekretär Christian Gaebler gehören Kameras allerdings „heutzutage zur Standard-Ausstattung eines Bahnhofes“. Die mit Angst vor Überwachung von Mitarbeitern begründete Weigerung von Betriebsrat und Lokführergewerkschaft GDL, die Überwachung zuzulassen, bezeichnete Gaebler als „starkes Stück“ und „lächerlich“. Momentan könne der Senat nicht in die zum Bahnkonzern gehörende S-Bahn hineinregieren. Aber bei der künftigen Vergabe des S-Bahn-Betriebes stelle sich die Frage, ob das Unternehmen angesichts eines derart „lächerlichen“ Einwandes aus dem Betriebsrat überhaupt qualifiziert sei, die vom Senat erwartete Leistung zu erbringen.

Dank der hausinternen Blockade spart sich die Bahn die Investition in die Technik auf den Stationen, die dem DB-Konzern gehören. Dagegen sind die U-Bahnhöfe ebenso landeseigen wie die BVG. Dort hängen nach Auskunft von BVG-Sprecherin Petra Reetz stets mindestens vier Kameras auf den Bahnsteigen. Die nach mehreren spektakulären Gewalttaten 2011 beschlossene Aufrüstung von 20 Stationen soll bis Jahresende abgeschlossen sein. Sechs Bahnhöfe seien bereits mit Kameras auch in Durchgängen und Zwischengeschossen ausgestattet.

Nach Auskunft von Reetz ist „die Genugtuung des Opfers, dass der Täter ermittelt wurde, nicht zu unterschätzen“. Das wisse die BVG auch von eigenen Kollegen, die angegriffen worden sind. Neuerdings würden die Bilder wie vom Parlament beschlossen 48 statt bisher 24 Stunden gespeichert. Mit der Mitarbeitervertretung gebe es „eindeutige Abmachungen, was gesehen wird und was nicht“. Von der Polizei angeforderte Aufnahmen würden codiert und nur an speziell ausgebildete Beamte übergeben. Im vergangenen Jahr forderte die Polizei laut Innenverwaltung 2417 Aufnahmen an – und ermittelte damit 107 Tatverdächtige.

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