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Berlin: Viel Beifall für die radikale Schulreform

Längerer Unterricht, Ferienkurse für Ausländerkinder – Empfehlungen der Bildungskommission werden begrüßt

Schulsenator Klaus Böger (SPD) ist sauer. Weil der Tagesspiegel die Ergebnisse seiner Bildungskommission veröffentlicht hat – bevor sie Böger selbst auf dem Schreibtisch hatte. Deshalb will sich der Schulsenator auch nicht zu den Vorschlägen der Experten äußern. „Erst Mitte September, wenn der Bericht offiziell übergeben wird“, sagt Thomas John, Sprecher der Schulverwaltung.

Bei den Schulexperten im Abgeordnetenhaus hingegen verbreiten die veröffentlichten Ergebnisse eher gute Laune. „Ich fühle mich bestätigt“, sagt Felicitas Tesch (SPD). Denn viele der von der Kommission empfohlenen Punkte seien bereits in das neue Schulgesetz aufgenommen worden. „Auch wir finden uns in etlichen Punkten wieder“, sagt Mieke Senftleben (FDP).

Vorsichtiges Lob kommt auch von der Ulrich Thöne, dem Chef der Lehrergewerkschaft GEW. „Wir wünschen uns, dass es in diese Richtung geht.“

Die hochkarätige Bildungskommission unter der Leitung von Deutschlands Pisa-Papst Jürgen Baumert wurde Anfang 2001 durch Bildungssenator Böger gegründet. Der Bericht, der dem Tagesspiegel vorliegt, enthält aber auch brisante Forderungen.

So wird empfohlen, Gelder aus den wohlhabenden in die armen Bezirke umzuleiten, damit in den Problemschulen kleinere Klassenfrequenzen finanziert werden können. Wovon Erik Schrader (FDP), Bildungsstadtrat in Steglitz-Zehlendorf, überhaupt nichts hält. „Auch hier wird keine heile Welt mehr gelebt.“ Es sei wichtig, die Problemschulen mit mehr Geld auszustatten, allerdings nicht auf Kosten der Zehlendorfer. „In manchen Schulen liegt bei uns die Quote der Alleinerziehenden bei über 50 Prozent“, sagt Schrader. Um insbesondere das Sprachproblem der Migranten in den Griff zu bekommen, sollen sie laut Kommission wesentlich mehr Unterricht bekommen als bisher. Von Ferienkursen bis hin zu Samstags- und Nachmittagsunterricht soll es kein Tabu mehr geben. Außerdem soll es bereits bei Vorschülern Sprachtests geben, damit die Kinder gegebenenfalls schon vor der Einschulung Deutschkurse erhalten.

Aber auch für die deutschen Schüler empfiehlt die Kommission, die Zahl der Unterrichtsstunden zu erhöhen – was die meisten Experten aus dem Abgeordnetenhaus begrüßen. Finanzierungsprobleme sieht die SPD-Schulexpertin dabei nicht. „Im Schulbereich sieht’s derzeit ganz gut aus“, sagt Tesch. Den Förderunterricht könnten beispielsweise die Lehrer übernehmen, die aufgrund zurückgehender Schülerzahlen ab 2006 nicht mehr gebraucht würden. „Davon wollen wir 1040 Lehrer behalten für pädagogische Verbesserungen.“

Auf breite Zustimmung stößt auch die Empfehlung, grundsätzlich an der sechsjährigen Grundschule festzuhalten – unter der Bedingung, dass es für leistungsstarke Schüler die Möglichkeit gibt, die Klassen schneller zu durchlaufen. Wichtig sei außerdem die Möglichkeit, die ersten beiden Klassen schon in einem Jahr zu absolvieren.

Auch GEW-Chef Ulrich Thöne begrüßt viele Forderungen der Kommission – bleibt aber skeptisch. Denn für eine Umsetzung der Empfehlungen müsste der Bildungsetat auf- und nicht abgebaut werden, sagt Thöne. „Das widerspricht der jetzigen Regierungspolitik aber absolut.“

Die Experten fordern auch, dass schwache Schüler seltener sitzen bleiben sollen, dafür aber gezielter gefördert werden. Wenn abzusehen ist, dass ein Schüler keinen Schulabschluss erreicht, soll er ab der neunten Klasse verstärkt in Betrieben lernen.

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