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Wer genau in der Stadt wäre eigentlich wirklich ärmer dran, ohne all die Clubs?

© imago

Viel Gebimmel um die Clubkultur: Warum Berlin ohne seine Clubs besser dran wäre

Die Neuköllner Griessmühle ist nicht der erste Techno-Club, der vor dem Aus steht. Und das macht auch nichts, findet unser Autor.

Seit Jahrzehnten sterben die Clubs der Stadt. Die Aufregung ist groß, die Solidarität auch, denn die Clubkultur gehört ja zur Stadt, das hat inzwischen sogar die CDU gemerkt. Aber wäre es wirklich so schlimm, wenn es keine Clubs mehr in Berlin gäbe?

Auf dem RAW-Gelände verkauft keiner mehr Drogen. Es liegt kein Müll mehr rum, weil hier jetzt Anwohner flanieren und nicht Touristen, die am Abend ihre Pommestüte fallen lassen und am Morgen schon wieder im Flieger nach Dublin sitzen. Vor „Mustafa´s Gemüse-Kebap“ muss niemand mehr Schlange stehen. Es ist leicht, innerhalb des S-Bahn-Rings eine Wohnung zu finden, weil keine AirBnBs mehr für viel Geld an Partyvolk aus ganz Europa vermietet werden.

Auch nehmen kaum noch Erstis für ihre WGs Familien die großen Altbauwohnungen weg, denn sie ziehen jetzt nach Leipzig oder Hamburg. Die Fläche rund ums Berghain begrünt die Stadt. Dort treffen sich Familien statt Ravern. Und in der ehemaligen Partytram M10 kann man vom Hauptbahnhof bis zur Warschauer Straße fahren, ohne einmal von einem Besoffenen angesprochen zu werden. Sogar samstagabends. Nur das Partyvolk in Kreuzkölln sitzt ratlos in seinen WG-Küchen und weiß nicht mehr, wo es am Freitagabend die nächste Pille einwerfen soll.

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Schließlich bot nur die Berliner Clubkultur die Möglichkeit, wirklich man selbst zu sein, hyperindividuell und echt. Also solange man reinkam halt und Zeit hatte, sich ein paar Stunden vor dem Berghain, dem Sisyphos oder der Griessmühle die Beine in den Bauch zu stehen. Klar, man musste den DJ seit der Grundschule kennen, um es durch die Tür zu schaffen. Und auf eine bestimmte Art cool aussehen, damit man so wirklich echt total sein darf, wie man sein will. Das heißt: weiß, oder höchstens Spanier.

Solidarität kommt in der Clubszene nur vor, wenn „Party“ hinten dranhängt

Jetzt, und damit zurück in die Realität, fordert die Griessmühle Solidarität. Dabei besteht ihr Geschäftsmodell darin, einem sehr kleinen und privilegierten Teil der Bürger die Illusion zu verkaufen, sie seien irgendwie anders und ein total wichtiger Teil der Stadtkultur.

Und nicht bloß ein superexklusiver Kreis, der zu elektronischem Gebimmel tanzt, weil er weiß, welche FILA-Plateausneaker gerade in sind. Das Wort Solidarität kommt sonst in der Berliner Clubszene nur vor, wenn das Wort „Party“ hinten dranhängt. Und dann muss auch der Techno knallen und das Bier schmecken, sonst kommt nämlich keiner, egal worum es geht.

Der Geschäftsmann (Griessmühlenbetreiber Ciura) erklärt nun, er werde von einem anderen Geschäftsmann (dem bösen Investor aus Österreich) verdrängt. Aber anstatt auf ihn zu hören, sollte sich die Berliner Gesellschaft und Politik fragen: Wer genau in der Stadt wäre eigentlich wirklich ärmer dran ohne all die Clubs? Die Antwort ist: fast keiner. Und die Berliner Clubs sollten sich mal fragen, wie sie das ändern könnten.

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