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Berlin: Viel Platz oder Pariser Platz

Gleich neben dem Canisius-Kolleg, an der Tiergartenstraße Richtung Philharmonie, beginnt eine wildbewachsene Brachfläche. Sie reicht bis zur Botschaft Japans.

Gleich neben dem Canisius-Kolleg, an der Tiergartenstraße Richtung Philharmonie, beginnt eine wildbewachsene Brachfläche. Sie reicht bis zur Botschaft Japans. Ein Pfad schlängelt sich an kahlen Büschen vorbei, hier und da liegen ein blauer Müllsack oder ein ausgedientes Möbelstück herum. Ein kleiner Hügel fällt auf, irgendwann aus Trümmerschutt angehäuft. Ein vergessenes Gelände, auf das sich kaum ein Mensch verliert, auch wenn kein Zaun gezogen ist. Ein idealer Platz für die neue amerikanische Botschaft?

Immer häufiger taucht dieses Gebiet zwischen Reichpietschufer und Tiergartenstraße aus dem Gestrüpp der Vermutungen auf, wenn es um eine Alternative zum Botschaftsneubau am Brandenburger Tor geht. Die Anschläge vom 11. September führen zu Sicherheitsanforderungen, die der prominente Standort kaum verkraften kann. "Wir halten nach wie vor am Pariser Platz fest", versicherte am Dienstag die US-Vertretung, und es klang fast so, als hätte sie diese Frage wieder einmal befürchtet.

Übereinstimmend ergänzte Senatssprecher Helmut Lölhöffel, die Amerikaner seien nicht mit einem "konkreten Veränderungswunsch" an den Senat herangetreten. Es liege auch kein Angebot des Landes Berlin für ein Tauschgrundstück vor, etwa an der Tiergartenstraße. Es habe seines Wissens seit gut zwei Monaten keine Gespräche mit den Amerikanern über ihren geplanten Botschaftsneubau gegeben.

Dass die Spekulationen so ins Tiergartener Kraut schießen, liegt an der allgemeinen Verschwiegenheit. Der Senat drängt bei Gesprächen über den möglichen Verkauf von Landesgrundstücken ohnehin aufs Stillschweigen der Beteiligten. Und sollte gar Diplomatie mit im Spiel sein, dürfte es doppelt geheim zugehen. Die Ruhe um den Botschaftsneubau (der nach ursprünglicher Planung schon längst hätte stehen sollen) nährt Spekulationen, dass sich hinter den Kulissen etwas tut. Volker Kähne, der frühere Chef der Senatskanzlei, gehört zu denen, die seit den Terroranschlägen nicht mehr glauben, dass die Amerikaner am Pariser Platz bauen können, sollten sie wieder auf größere Sicherheitsabstände von 30 statt 25 Meter beharren. Kähne erinnerte daran, dass bereits der frühere Senat den möglichen Alternativstandort Tiergartenstraße vorgeschlagen hatte, der genügend Raum für größere Sicherheitsabstände biete. "Ein wertvolles Grundstück", sagt Kähne nun, "und ich verstehe nicht, dass sich Berlin bis heute den Luxus leistet, die Brache zu erhalten".

Der Bezirk Mitte sieht das anders, deutet Wildwuchs als wertvolles Biotop, und nicht nur das: Es gibt einen Bebauungsplan, in dem das Gelände als Parkanlage ausgewiesen ist, die eigentlich schon in diesem Jahr angelegt sein sollte. Der frühere Tiergartener Baustadtrat spricht wehmütig vom "Restbestand" jenes großen Parks, den ein Landschaftswettbewerb in den achtziger Jahren vorgeschlagen hatte. Damals sollte der Große Tiergarten erweitert werden, und an Diplomaten dachte niemand. Inzwischen sind in der Nachbarschaft Botschaften und Landesvertretungen entstanden, und die unbebaute und verwilderte Fläche zwischendrin scheint auf neue Aufgaben zu warten. Vielleicht auf die Amerikaner.

Christian van Lessen

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