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Berlin: Viele CDU-Mitglieder hoffen auf Alleinregierung - aber kaum einer glaubt, dass sie Wirklichkeit wird

Frank Steffel, 33 Jahre, erfolgreicher Jungunternehmer, sehr konservativ, sagt, was viele in der Berliner CDU denken: "Es wäre riesig, wenn wir am 10. Oktober die absolute Mehrheit erreichen!

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Frank Steffel, 33 Jahre, erfolgreicher Jungunternehmer, sehr konservativ, sagt, was viele in der Berliner CDU denken: "Es wäre riesig, wenn wir am 10. Oktober die absolute Mehrheit erreichen! Aber ich glaube das nicht." Bei Wahlkampfeinsätzen schlage der Union viel Sympathie entgegen, aber die Leute wollten "eine Regierung des Ausgleichs", nicht unbedingt CDU pur. In den bürgerlichen CDU-Hochburgen - Steffel wohnt in Reinickendorf - seien auch keine großen Stimmenzuwächse mehr zu erwarten, eher schon in den Ost-Bezirken. "Vor der PDS stärkste Kraft zu werden, wäre für den Ostteil Berlins ein lohnendes Wahlziel."

Angst vor der eigenen Courage haben die Christdemokraten aber nicht, jedenfalls nicht an der Parteibasis, stellt der CDU-Nachwuchsmann klar. "Möglichst viel aus dem eigenen Parteiprogramm in die Wirklichkeit umzusetzen, ist doch das Ziel jeder Partei, und am Besten geht das, wenn man allein regiert." CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky hatte nach einer Meinungsumfrage - die die CDU bei 45 Prozent sah - signalisiert, dass ihm eine Große Koalition lieber wäre als ein reiner CDU-Senat.

Reinhard Führer, 53 Jahre, Abgeordnetenhaus-Vizepräsident, ein abwägender Mensch, pflichtet Landowsky bei: "Die absolute Mehrheit wäre ein Wählerauftrag, an dem die Union natürlich nicht vorbei käme. Aber eine Stadt wie Berlin, mit ihren geballten Problemen, ist mit knappen Mehrheiten schwer regierbar - wir brauchen den breiten Konsens." Führer nennt beispielsweise die Finanzlage: Auch eine CDU-Alleinregierung müsste den Bürgern in der nächsten Wahlperiode weitere Einschnitte zumuten.

Das sagt ein Neuköllner, wo die CDU sowieso stark ist. Aber was sagt ein Kreuzberger, wo sich die Stimmenanteile zwischen CDU, SPD und Grünen gleichmäßig aufteilen? Kurt Wansner, 51 Jahre, CDU-Kreisvorsitzender, ist unsicher, "wo die Union in der Wählergunst steht". Zwar reagierten die Bürger sogar am Chamissoplatz, wo das grüne Herz der Stadt schlägt, freundlich auf CDU-Wahlkampfeinsätze. "Aber ich kann allen Parteifreunden nur empfehlen, bis zum Wahltag um jede Stimme zu kämpfen." Eine absolute Mehrheit hält Wansner - wie alle CDU-Funktionäre - für unrealistisch, aber wenn sie der Union unverhofft in den Schoß fiele, "könnten wir endlich die Stadtprobleme in unserem Sinne lösen".

Im Sinne der CDU ist zum Beispiel der Wiederaufbau des Stadtschlosses, die Erhaltung der Flughäfen Tegel und Tempelhof, der Bau der Westtangente zwischen Tiergartentunnel und Schöneberger Autobahn-Dreieck. "CDU pur" ist auch: Verringerung der Gewerbesteuer, Wiederbelebung des Metropol-Theaters, mehr grundständige Gymnasien, früherer Schulbeginn und Abitur in zwölf Jahren. Mindestens 85 000 Studienplätze auf Dauer, Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe und Zahlung der Sozialhilfe nur dann, wenn der Antragsteller bereit ist, Deutsch zu lernen. Die Videoüberwachung öffentlicher Plätze, die gesetzliche Regelung des polizeilichen Todesschusses und eine Umweltlotterie, mit der städtische Grünanlagen saniert werden sollen, sind ebenfalls originäre CDU-Forderungen.

In der Regierung durchsetzbar wären sie ab etwa 46 Prozent Zweitstimmen-Anteil, unter der Voraussetzung, dass FDP und Rechtsextreme nicht im Parlament vertreten sind. Dann reichte es der CDU für die absolute Mehrheit der Parlamentsmandate - ein Novum in der Berliner Nachkriegsgeschichte. Selbst 1981, als Richard von Weizsäcker kam, sah und siegte, fehlten den Christdemokraten zwei Mandate zum Glück. Sie blieben auf Unterstützung, damals durch die FDP, angewiesen. Was 1981 unter günstigsten Umständen nicht gelang, soll 1999 gelingen? "Wir dürfen uns jetzt nicht besoffen reden", heißt es parteiintern. Jedes Ergebnis knapp unter oder über 40 Prozent wird am Sonntag dankbar aufgenommen. Doch es mehren sich auch die Stimmen, die den noch Koalitionspartner SPD energisch davor warnen, in die Opposition zu gehen und die Union im Regen stehen zu lassen. Dann müsse eben neu gewählt werden. "Und in fünf Jahren sind wir hoffentlich in Berlin soweit, über Schwarz-Grün ernsthaft nachdenken zu können", hofft der junge, forsche Steffel. Eine Option, über die bei den CDU-Mitgliedern und -Funktionären unter 40 Jahren - von den Liberalen bis zu den Konservativen - immer häufiger und offener geredet wird.

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