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Berlin: „Viele Qualitäten von Porzellan werden kaum genutzt“

Die Keramik-Designerin Cordula Kafka bringt das weiße Gold zum dezenten Leuchten

„Vorsicht“, warnt Cordula Kafka. Die Werkstatt der Theaterplastikerin und ehemaligen Meisterschülerin der Berliner Kunsthochschule ist mit einer hauchzarten Pulverschicht bedeckt, als hätte es geschneit. Cordula Kafka arbeitet fast ausschließlich mit keramischen Massen. Die Grenzen des Materials auszuloten und dabei eingespielte Sehgewohnheiten zu durchbrechen, fasziniert die Keramik-Designerin. „Viele Qualitäten von Porzellan werden kaum genutzt“, glaubt die 37-Jährige, „mit der Fragilität und Transparenz des Materials wird wenig experimentiert.“

Das glänzende, fast klinisch anmutende Sitzkissen „Blast“ könnte tatsächlich von Ferne betrachtet ein Kunststoffspritzguss sein. „Blast“ ist jedoch alles andere als luftig-leicht, vielmehr keramikschwer. Auch die eleganten Bodenleuchten „Solas“ verbergen mit ihrer technischen Bullaugen-Optik, dass sie aus glasiertem Steingut gearbeitet wurden. „Die Solas sind die einzigen Stücke, die wir farbig glasieren. Sonst ist bei uns alles weiß“, meint die Künstlerin, die sich vor vier Jahren mit „kafka.design“ selbstständig gemacht hat und mittlerweile in sämtlichen tonangebenden Lifestylemagazinen als neuer Nachwuchsstar für Keramik gefeiert wird.

Ihre signifikanten, wegen der ausgewogenen Gestaltung beeindruckenden Wohn- und Lichtobjekte sind durchweg Unikate. Sie werden größtenteils in Cordula Kafkas Werkstatt am Prenzlauer Berg gefertigt. Dort wird auch die Gießmasse in einem großen grünen Fass mit Holzpaddel per Hand angerührt. Bei ihren neuesten Arbeiten hat die Designerin nun eine alte Technik wieder aufleben lassen, die so genannte Lithophanie, bei der kleine Bildchen auf Porzellanoberflächen gezaubert werden.

Im 19. Jahrhundert galten Lithophanien als ein Must-have-it. Die zarten Lichtschreine waren begehrte Modeartikel und als Vorläufer der 3-D-Darstellung in fast jedem Haushalt zu finden. Hauchdünnes Porzellan wurde für diese Alltagsobjekte reliefartig bearbeitet, so dass bei Lichteinfall mit den aufkommenden Hell- und Dunkelkontrasten plastische Bilder entstanden, meist waren es Genrebilder mit Landschaften oder geselligen Szenen, die samt Kerze ins Fenster gestellt wurden.

Die raffinierte Porzellanverarbeitung hatte der Baron Paul Charles de Bourgoing entdeckt und 1827 in Paris zum Patent angemeldet. Es dauerte nicht lang, da kamen erste Nachahmer. Zum europäischen Marktführer der Lithophanie-Objekte, ein Begriff, der sich aus den griechischen Wortsilben lithos, „Stein“, und phainein, „sichtbar machen“, zusammensetzt, wurde die Königliche Porzellan Manufaktur in Berlin. Mit dem technischen Fortschritt am Ende des 19. Jahrhundert flaute aber auch die Begeisterung für die charmante Darstellungsweise in Porzellan wieder ab. Lithophanie geriet in den Verruf sentimentaler Lieblichkeit.

Cordula Kafka geht es darum, diese alte Herstellungsweise zeitgemäß anzuwenden. Ihre modernen Lithophanie-Leuchten bestehen aus DIN-A-4-großen, mit Reliefs verschiedenster Art verzierten Porzellanplatten, die in längliche, von hinten mit Leuchtstoffröhren angestrahlte Edelstahlkästen geschoben werden. Schon die Platten sind äußerst schwierig zu fertigen, da Porzellan für große und plane Flächen eigentlich nicht geeignet ist. Für die Reliefdarstellung erstellt die Keramik-Designerin erst am Leuchttisch ein Modell aus Wachs, in das die einzelnen Motive geschnitzt werden und das später in Gips gefertigt wird, um dann als Abguss für die Biskuit-Porzellanmasse verwendet zu werden. „Je dünner ich beim Porzellan werde, desto durchscheinender wird es. Auf dieses Weise lassen sich wie bei kaum einem anderen Material unendlich viele Graustufen erzeugen.“

Jedes der Abgussmodelle muss allerdings mehrmals überarbeitet werden, und selbst dann gibt es wegen der Empfindlichkeit des Materials, das sich sozusagen jede falsche Umgangsform merkt, noch einen Ausschuss von gut fünfzig Prozent bei den Porzellanreliefs. Die Leuchten „Sunmoon“, „Longplay“, „Kiss“ oder „Tagus“ lassen abstrakte Muster in weichem Licht lebendig werden. Besonders schön sehen die Leuchtkästen aus Edelstahl in Reihe aus, wenn sie als eine Art Banderole den Raum gestalten.

Inzwischen entwirft Cordula Kafka auch Lithophanien mit asiatisch anmutenden Landschaftspanoramen. Dafür hat die Designerin zum ersten Mal eine Fotografie auf eine Wachsmatritze übertragen. Keine leichte Kunst. Aber wie in jeder echten Alchimistenküche wird auch bei „kafka.design“ die genaue Herstellungsweise nicht verraten, genauso wenig wie die Mischungen des Rohmaterials.

Verkaufsliebling von „kafka.design“ ist die von einem Zettelkasten inspirierte Hängeleuchte „Thincut“. Hier stecken hauchdünne plane Porzellanplatten beleuchtet von fünf Halogenbirnen auf zwei Eisenstangen. „Fast ein Architektenstück“, nennt Cordula Kafka ihre puristisch-poetische Leuchte, die trotz minimalistischer Form unglaubliche Licht- und Schatteneffekte entfaltet. Wie alle „kafka.design“-Objekte ist auch bei „Thincut“ die Herstellung äußerst aufwändig. Immer wieder werden die fragilen Porzellanplatten in die Hand genommen, bis sie am Ende schließlich fertig aus dem Hochbrand kommen und ihr verzauberndes Leuchten verbreiten können.

Kafka.Design. Telefon 030-4766997. www.kafkadesign.de Zur permanenten Ausstellung bei „Gut und Schön“ in der Torstraße 140 findet am Sonntag dem 28. November um 14 Uhr eine Vernissage statt (Telefon 28884575. www.gutundschoen.com).

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