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Berlin: Viele tausend Helferlein

Auf den Straßen rennen sie, am Rande klatschen sie. Dazwischen schuftet das Marathonpersonal

Von David Ensikat

Marathon in der großen Stadt: Auf der Straße fahren keine dicken Autos, sondern rennen dünne Menschen, auf den Bürgersteigen eilt niemand stur geradeaus, dafür hüpfen und klatschen die Leute wie verrückt. Und zwischen den Rennenden und den Hüpfenden schuften auch noch viele Tausend Helferlein. Freiwillig tun sie das, ganz ohne Geld, dafür aber mit recht viel Spaß – klar, die Läufer haben’s ja noch viel viel schwerer.

Da gibt es zunächs mal die Versorger. An dutzenden Stellen haben sie ihre Tische aufgestellt, von denen aus sie den Läufern Elektrolyten zuführen. Elektrolyte stecken im Wasser und in den Früchen. Bananen machen sich da besonders gut, sie lassen sich gleich einem Staffelstab besonders gut überreichen. Die Versorger müssen an Tagen wie diesem, an denen die Sonne nicht knallt, aufpassen, dass sie nicht so nass werden, denn dann werden sie krank – Läufer, die ihren Lauf bei der Wasserbecherübergabe nicht drosseln, kleckern ganz furchtbar rum.

Die Masseure an der Strecke haben anfangs nicht so viel zu tun. Die Schnellläufer lassen sich erst nach dem Lauf durchkneten. Wenn aber die Dreieinhalb-, Vier- und Fünfstundenläufer kommen, dann geht’s los. Die werfen sich auf die Massageliegen und rufen laut: „Auuuu, auaaa! Kraaaampf!“ Der Masseur/die Masseuse fragt dann höflich zurück: „Rechts? Links? Oberschenkel? Wade?“. Schnell bildet sich auf den massierenden Händen eine klebrige Patina aus Schweiß, Öl und Dreck, aber die bemerken die Physiotherapeuten bald nicht mehr, denn die Hände schmerzen ganz fürchterlich von der ewigen Kneterei. Länger als fünf Minuten pro Athlet sind nicht drin – zum einen werden die Massierten sonst träge, und zum anderen rufen schon die nächsten: „Auuu, Auaaaa!“

Ohrenstöpsel bräuchten die Musiker eigentlich, vor allem die Sambatrommler, aber die wenigsten haben welche. Am Ende eines durchtrommelten Langlauftages muss ihnen ganz furchtbar der Schädel dröhnen, so laut und heftig haben sie’s getrieben. Klar, das eigentliche Publikum rennt einfach so vorüber, da will man gern ein wenig nachhallen. Ein möglichst breites Repertoire empfiehlt sich natürlich, denn die Läufer mit der größten Ausdauer lassen lange auf sich warten, da wird’s mit zwei-drei Hits bald langweilig. Und den Zuschauern soll der Lärm ja vor allem die Langeweile vertreiben („Guck mal, da kommen schon wieder welche vorbeigerannt. Sehen auch ganz blass aus“).

Kurz hinterm Ziel stehen die Belobiger. Dutzende sind es, und ihr Werk besteht darin, silbergraue Medaillen am schwarzrotgoldenen Bändel um die verschwitzten Läuferhälse zu legen. Eine feine Sache ist das, irre demokratisch, denn hier bekommt jeder was ab, er muss nur durchs Ziel gekommen sein. Wenn der Job manch anspruchsvolles Gemüt auch überfordern mag: Innigen Dank kann der Medaillenschenker von den Fertiggerannten nicht erwarten, die sind ja viel zu fertig, um auch noch höflich zu sein.

Die Freunde und Verwandten eines Mitläufers – wir wollen ihn Schmidt nennen – haben’s auch nicht leicht. Sie haben Angst um ihren Helden: Hält Schmidti durch? Sie müssen aufpassen, mit ihrem „Go, Schmidti, go“-Transparent anderen nicht auf den Kopf zu hauen: Wie hätte Schmidti uns denn sonst erblicken können? Sie müssen mit der U-Bahn von einem Durchlaufpunkt zum nächsten hetzen: Tschuldigung, ist Schmidti schon durch? Und am Schluss müssen sie den Lauf auswerten: Mensch Schmidti, war’s denn anstrengend?

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