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VIER MAL WOHNEN: Kreuzberg ist heute wie einst Prenzlauer Berg

Wie geht es den Menschen, die Wohnungen im Zentrum mieten? Vier Beispiele aus Prenzlauer Berg und Kreuzberg.

Wie geht es den Menschen, die Wohnungen im Zentrum mieten? Vier Beispiele aus Prenzlauer Berg und Kreuzberg.

Der Balkon fehlt, sagt Frank Möller. Sonst ist der 26-jährige mit seiner Wohnung in der Zossener Straße sehr zufrieden. Dass er 100 Euro mehr zahlt, als die 76 Quadratmeter laut Mietspiegel kosten dürften, ärgert ihn. Andererseits sei die Kreuzberger Lage perfekt: Er ist in zehn Minuten zu Fuß bei seiner Softwarefirma, seine Freundin mit der U-Bahn in zwanzig Minuten an der Freien Universität, wo sie auf Lehramt studiert. So lange fahren sie auch, wenn sie Freunde besuchen, „viele leben in Friedrichshain.“ Dort hätte der Medieninformatiker gerne eine Wohnung gehabt – doch da sind sie zu teuer oder zu klein.

Die Miete von Katrin Schumann, „Informationsmanagerin“, wie sie sich nennt, lag schon vor der letzten Erhöhung 90 Euro über dem Mittelwert der Heinrich-Roller-Straße. „Deshalb ziehen wir aus“, sagt sie. Dabei will sie nicht weg aus Prenzlauer Berg. „Wir haben ein zweijähriges Kind und dafür ist die Infrastruktur sensationell“, sagt sie. Die Spielplätze und die Parks nennt sie, „den Friedhof direkt bei uns gegenüber“ zählt sie auch dazu. Da geht sie mit ihrem Sohn gerne spazieren, auch wenn es mal „wegen der Totenruhe Stress gibt, wenn er schreit“. Für ihre 95 Quadratmeter große Wohnung bezahlt sie knapp 700 Euro kalt. Die Mieterhöhung verhandelte sie auf die Hälfte herunter. Ausziehen will sie trotzdem, weil ihr Vertrag eine Klausel enthält, wonach die Miete mit der Inflation steigt. Jetzt, wo die Preise um über drei Prozent im Jahr steigen, reißt die Miete immer größere Löcher in das Budget. Wo sie hinziehen wird? Die Alternativen im Kiez sind zu teuer. Nach Pankow will sie vielleicht ziehen. Auch Schöneberg oder Charlottenburg fasst sie ins Auge. An den Stadtrand will sie auf keinen Fall „schon wegen der utopischen Anfahrtswege nicht“.

„Das ist Wucher“, sagt Nele Hamann. Fast 350 Euro bezahlte sie zuletzt für die 33 Quadratmeter in der Belforter Straße am Kollwitzplatz. Einen so hohen Preis für eine Wohnung mit Rissen in den Wänden und ohne Keller wollte sie nicht mehr bezahlen. Sie zog aus, mit ihrem Freund zusammen, in eine Wohnung nach Pankow. Jetzt haben sie zwei Zimmer, fast doppelt so viel Fläche, einen Balkon und zahlen nur 50 Euro mehr. Die Nebenkosten waren in der alten Wohnung sprunghaft gestiegen. Bei der jährlichen Abrechnung der Kosten für Heizung, Wasser und Bewirtschaftung des Hauses hatte sie in den ersten Jahren eine Nachzahlung von jeweils etwa 100 Euro, im vergangenen Jahr waren es dann plötzlich 400 Euro. Die Hausbesitzer nutzen den Wechsel aus. Der Nachmieter zahle 25 Euro mehr Miete für die Wohnung, sagt sie.

Die Mieten in der Wiener Straße könnten nicht weiter auseinander liegen: 160 Euro bezahlt ihr Nachbar für seine Anderthalb- Zimmer-Wohnung, sie dagegen für zwei Zimmer 630 Euro. Der Nachbar lebt schon lange in dem nicht renovierten Haus mit den ungeheizten Bädern und den zugigen Fenstern. Wegen des „fantastischen Blicks“ auf Kirche und Fernsehturm sowie der großen Nachfrage bekommt der Hausbesitzer von neuen Mietern viel mehr Geld: „Viele wollen hier wohnen, es ist so wie in Prenzlauer Berg vor zehn Jahren“.

Dort hatte Franka Schmidt (Name geändert) vorher gewohnt. Nun hat sie Nachwuchs und würde am liebsten erneut umziehen, in ein gepflegteres Haus, aber im Kiez bleiben: „Ich möchte mich nicht ins gesellschaftliche Off schießen“, sagt sie. Deshalb komme eine Grünlage am Stadtrand nicht in Frage. Ihr Beruf lasse das nicht zu – als Journalistin müsse sie in der Stadt sein.

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