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Berlin: Vision der spritlosen Ära

Dida Zende hat die Freie Internationale Tankstelle gegründet Hier gibt es Ausstellungen und Installationen statt Super und Diesel

Die weltpolitische Lage ist unsicher, der Ölpreis steigt und immer mehr Leute können sich das Benzin für ihre Autos nicht mehr leisten. Wo andere noch jammern, hat Dida Zende gehandelt. 2003 hat er eine ehemalige Tankstelle in der Schwedter Straße 262 in Mitte gepachtet und sieht sich als Visionär für die spritlose Ära: „Benzin ist beschränkt vorhanden, wir sind Vorreiter für das, was danach kommt“. Der Künstler mit dem exotischen Pseudonym hat dazu einen Verein gegründet, dessen Namen er an die von Joseph Beuys gegründete „Freie Internationale Universität“ anlehnte: die Freie Internationale Tankstelle, kurz FIT.

Hauptanliegen des Vereins ist, und Zende sagt das mit unerschütterlicher Ernsthaftigkeit, die internationale Tankstellenkultur zu fördern. Die FIT will Vorbild sein und zeigt dazu Ausstellungen und Installationen. So präsentierte der Architekt Michael Neudeck seine Ideen zur Bebauung von Autobahnen, denen die Autos abhanden gekommen sind – eine schier unlösbare Aufgabe, wenn man bedenkt, wie viele Quadratkilometer in Deutschland zuasphaltiert sind! Die ständig ausgestellten Arbeiten „Laublau“ (eine blaue, reflektierende Fläche) von Dida Zende und „Im Windschatten des 9. Raumgefährts“ des Künstlers Goi demonstrieren, dass es hier niemand so ganz ernst meint mit der Kunst.

Ganz nebenbei darf man auch an banalen Möglichkeiten zur Nachnutzung von Tankstellen teilhaben: Fußballspiele werden an der FIT auf Leinwand gezeigt und jedes Wochenende ist die Tankstelle eine „Kommunikationsplattform Self-Service Grill“ – Zende besteht auf diese ganz besondere Bezeichnung für gemeinschaftlichen Fleischverzehr.

Am 4. August findet an der FIT das Filmfestival „Cannes de Petrol“ statt, das Regisseur Wolfgang Eißler und Dida Zende gemeinsam organisieren. Wenn davon die Rede ist, geben die beiden das erste Mal zu, dass sie damit „an der Grenze einer ernsthaften Angelegenheit“ operieren: „Es gilt, die schlechteste Neuinterpretation einer Tankstellenszene aus einem bekannten Film zu drehen. Beim Festival werden zuerst Originalszene und anschließend die „Neuverfilmung“ gezeigt – Drehort soll natürlich die FIT sein, jede andere Tankstelle ist aber auch zulässig.

„Wir sind ein Ort der Einkehr, normale Tankstellen sind Orte der Durchfahrt“, wiederholt Zende seinen Anspruch auf Kultivierung der Bezinverkaufsstellen, und ist sich sicher, dass nicht nur das Cannes-Petrol-Festival seinen Beitrag dazu leisten wird.

Die FIT befindet sich in Mitte an der Ecke Schwedter/Templiner Straße, U-Bhf. Senefelder Platz. Programm und Ausstellungen unter www.f-i-t.org.

Festival de Cannes de Petrol: Informationen zu Beiträgen und Festival unter www.cannes-de-petrol.de.

Frieder Bechtel

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