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Berlin: „Vivantes kann sich nicht sanieren“

Senat will den landeseigenen Krankenhaus-Konzern nicht verkaufen, doch der Chef der Rhön-Kliniken hält sein Angebot aufrecht und begründet seine Pläne

Das Angebot der fränkischen RhönKlinikum AG, den finanziell angeschlagenen Klinikkonzern Vivantes zu übernehmen, hat den Berliner Koalitionsfrieden gestört. Allzu freudig hatte Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) am Montag die Offerte begrüßt. Am Dienstag nun ruderte Sarrazin zurück. „Der Senat hat das Angebot kurz diskutiert und bekräftigt, dass es keine aktuellen Verkaufsabsichten gibt“, sagte er. Er betonte aber auch, dass man das Rhön-Angebot „inhaltlich ausloten“ und „offenen Fragen natürlich nachgehen“ müsse. Ingo Bach sprach mit Eugen Münch, Vorstandsvorsitzender der Rhön-Klinikum AG, über seine Pläne.

Vivantes ist mit 230 Millionen Euro Schulden ein Sanierungsfall und fährt weitere Verluste ein. Warum wollen Sie das Unternehmen trotzdem übernehmen?

Die Arbeit von Vivantes wird gebraucht zur gesundheitlichen Versorgung der Berliner. Das heißt, wir haben eine einmalige Konstellation: die Sanierung eines Unternehmens, dessen Produkte unvermindert gefragt sind. Voraussetzung ist natürlich, dass das Land kein Geld aus dem Unternehmen zieht, also die Altschulden komplett übernimmt.

Warum haben Sie gerade jetzt ihr Angebot unterbreitet, vor der Sitzung des Aufsichtsrates, auf der über den Sanierungsplan entschieden wird?

Ich wollte verhindern, dass Gewerkschaften und Vivantes wie geplant jetzt einen Notlagentarifvertrag unterzeichnen. Denn die Gegenleistungen für das Opfer der Beschäftigten, die auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld verzichten sollen, wäre zum Beispiel eine verlängerte Beschäftigungssicherung über 2006 hinaus. Aber eines ist Fakt: Bei gleich bleibenden Fallzahlen sind in den Vivantes-Kliniken tausende Leute zu viel an Bord. Da braucht es qualifiziertere Lösungen als nur Personalabbau über das Alter, zum Beispiel neue Arbeitsmodelle, die ausgehandelt werden müssen. Und die Opfer der Belegschaft hätten einen kurzfristigen Effekt. Es mag sein, dass damit Vivantes dieses Jahr eine schwarze Null schreibt. Aber 2005 ist dieses Pulver verschossen und keines der strukturellen Probleme gelöst.

Aber es gibt gleich zwei Gutachten, die die Sanierbarkeit von Vivantes bestätigen.

Ich schließe aus, dass es Vivantes gelingt, sich aus eigener Kraft zu sanieren. Dazu braucht es viel Geld, das Berlin nicht hat, wir aber zur Verfügung stellen könnten. Diese 200 Millionen Euro sind das Ergebnis von vier Jahren Konzerntätigkeit und wir sind bereit, diese in Vivantes zu investieren. Das ist ein großes Risiko für uns. Wenn wir scheitern, haben wir viel Geld in den Sand gesetzt und ich habe meine Reputation verloren. Aber ich habe eine Vision.

Wie sieht Ihre Vision aus?

In allen Großstädten – ganz extrem in Berlin – verschieben sich die Patientenströme immer weiter weg von den Kliniken der Grundversorgung hin zu denen der Hochleistungsmedizin. Einfach deshalb, weil die Patienten lieber in eine Universitätsklinik gehen als in ein Krankenhaus der Grundversorgung, weil sie sich dort besser aufgehoben fühlen. Und auch die einweisenden Ärzte schicken in Zweifelsfällen ihre Patienten lieber in ein Hochleistungskrankenhaus. Das treibt die Kosten unnötig in die Höhe. Wir haben in unserem Unternehmen einen Test gemacht. Das Ergebnis: Nur 25 Prozent der Patienten in der Klinik benötigen tatsächlich eine stationäre Behandlung. Der Rest könne ambulant oder teilstationär versorgt werden. Doch das geht nur, wenn man die Patienten in den Kliniken der Grundversorgung hochqualifiziert untersucht und genau diese 25 Prozent, die eine weitergehende Behandlung brauchen, erkennt und sie weiter in die Kliniken der Hochleistungsmedizin einweist.

Was heißt das konkret für Vivantes mit seinen neun Kliniken?

Wir werden zwei Krankenhäuser der Hochleistungsmedizin mit jeweils 500 Betten aufbauen. Die restlichen Häuser würden in Portalkliniken umgewandelt, wo die entsprechende Diagnostik stattfindet und die Patienten für die stationäre Behandlung in Hochleistungshäuser weitergeleitet würden. In den Portalkliniken fände nur die ambulante bzw. teilstationäre Behandlung statt.

Wenn Rhön Vivantes übernähme, hätten Sie einen Marktanteil in Berlin von 30 Prozent. Das wäre ein Wettbewerbs-Problem.

Nein, denn es ändert sich doch nichts. Den Marktanteil hat ja auch schon Vivantes. Problematisch wäre es für die Wettbewerber, wenn wir die Fallzahlen steigerten. Aber ich will Vivantes nicht durch Wachstum sanieren – denn das löst keines der Strukturprobleme – sondern nach innen.

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