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Berlin: Vogelgrippe: Senatsverwaltung verschärft Warnhinweise

Nach dem Fund der toten Katze auf Rügen sind viele Berliner verunsichert. In der Uckermark gab es den dritten H5N1-Fall. Dort haben es Haustiere jetzt schwer

Von Sandra Dassler

Seit gestern darf Yildiray Bastürk nicht mehr raus. Sein Lieblingsplatz, die warme Motorhaube des Toyotas seines Herrchens, bleibt leer. So ist das eben, wenn man im Sperrbezirk lebt. Dabei stammt Yildiray Bastürk aus Berlin, deshalb ist er nach dem Mittelfeldspieler bei Hertha benannt. Vor drei Jahren hat Brandenburgs Agrarstaatssekretär Dietmar Schulze den Kater gekauft und mitgenommen in sein Haus im uckermärkischen Criewen.

Seit Sonnabend liegt das Haus des Staatssekretärs in der Sperrzone – sprich: weniger als drei Kilometer vom Fundort eines mit H5N1 infizierten Vogels entfernt. Und weil am Montag auf Rügen eine ebenfalls mit dem Virus infizierte tote Katze gefunden wurde, beschloss der nationale Krisenstab gestern, dass in Sperrzonen Hunde an die Leine und Katzen im Haus bleiben müssen. Deshalb darf Yildiray Bastürk nicht mehr vor die Tür.

Seine Artgenossen in Berlin können weiter draußen herumtollen. Da hier bislang kein mit H5N1 infiziertes Tier gefunden wurde, gäbe es keine Veranlassung, die Katzen einzusperren, sagte Regina Kneiding von der Berliner Gesundheitsverwaltung. Günther Dettweiler, Sprecher des Robert Koch-Instituts (RKI), findet das angemessen: „Auf den bloßen Verdacht hin Katzen einzusperren oder Hunde anzuleinen, halte ich für übertrieben. Bislang wurde weltweit keine Infektion bei einem Hund nachgewiesen." Allerdings hatten die Wissenschaftler noch vor kurzem auch gemeint, dass Haustiere nicht gefährdet seien, sagt Regina Kneiding. Nun müsse man das in zehn Sprachen herausgegebene Merkblatt zur Vogelgrippe ändern. Die Senatsverwaltung will nun dezidiert darauf verweisen, dass für den Umgang mit Haustieren die „eigentlich selbstverständlichen hygienischen Vorschriften“ gelten. Dazu gehört laut Kneiding das Händewaschen nach jedem Tierkontakt ebenso wie das Reinigen der Katzenklos mit Handschuhen. Wenn eine Katze hohes Fieber habe, solle man auf jeden Fall mit ihr zum Arzt gehen.

Viele Berliner sind seit dem Fund der infizierten Katze auf Rügen verunsichert. Das bekommen momentan vor allem die Mitarbeiter des Tierschutzvereins für Berlin zu spüren, die das Tierheim in Falkenberg betreiben. „Uns erreichen viele Anrufe vor allem von älteren Menschen, die wissen wollen, ob sie ihre Katzen noch vor die Tür lassen können“, sagt Vereinssprecher Marcel Gäding: „Viele rufen auch deshalb an, weil sie so empört sind, dass auf Rügen jetzt streunende Katzen gefangen oder gar getötet werden sollen.“

Die Tierschützer verurteilen dies scharf, sagt Gäding, „zumal uns doch immer gesagt wurde, dass sich noch nie ein Mensch von einer Katze angesteckt hat“. Deshalb gebe es auch keinen Grund für vorsorgliche Tötungen – nicht bei den schätzungsweise 140 000 Hunden und 250 000 Hauskatzen – und auch nicht bei den etwa 100 000 umherstreunenden Katzen in Berlin. Die seien wichtig, weil sie beispielsweise dafür sorgen, dass Ratten nicht zur Plage werden, sagt Senatssprecherin Kneiding. Bei der Einschätzung der Gefahr für Menschen und Tiere müssten sich die Behörden in Berlin ebenso wie in Brandenburg weiter auf die Wissenschaftler verlassen.

Doch auch die können nicht auf alle Fragen eine Antwort geben, sagt der Direktors des Instituts für Tierseuchen an der Freien Universität Berlin, Professor Lothar Wieler: „Wir wissen momentan einfach nicht, ob eine Katze einen Menschen anstecken kann.“ Zwar halte er die Gefahr für gering. Trotzdem seien die Vorsichtsmaßnahmen richtig. Diese Ansicht vertritt auch RKI-Sprecher Dettweiler. Es sei kein Widerspruch, wenn in bereits von der Vogelgrippe betroffenen Gebieten andere Maßstäbe gelten würden. Das diene auch dazu, jede weitere Infektion der Tiere untereinander zu verhindern.

Erstmals muss eine Tierseuche bei Wildvögeln bekämpft werden. Die Wissenschaftler lernen täglich dazu, sagt der Leiter des Instituts für Medizinische Mikrobiologie in Halle, Alexander S. Kekulé. Befunde würden oft unterschiedlich bewertet. Und nicht jeder Virologe oder Tierarzt sei ein Experte für Vogelgrippe. Auch deshalb befürwortet Kekulé vehement bundeseinheitliche Regelungen im Umgang mit der Seuche.

Für Brandenburg wurde gestern der dritte Vogelgrippe-Fall bestätigt. Ein am Sonnabend bei Schwedt gefundener toter Schwan war mit H5N1 infiziert. Er lag im Sperrbezirk, unweit der Fundstelle der beiden in der vergangenenen Woche entdeckten Tiere. Dass er die für Menschen gefährliche Asia-Variante in sich trug, sei zu „95 Prozent sicher“, hieß es. Keine guten Aussichten für Kater Yildiray Bastürk.

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