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Erste Wahl. Volker Wieprecht (links) und Robert Skuppin moderierten von 1994 bis 2011 gemeinsam, erst bei „Fritz“, dann bei „Radio Eins“. Foto: Sven Darmer/Davids

© DAVIDS

Volker Wieprecht und Robert Skuppin: Held gegen Hampelmann

Das erste Auto, der erste Sprung, das erste Mal: zwei Radiogrößen erinnern sich an alles. Volker Wieprecht und Robert Skuppin haben ein Buch über zwischenmenschliche Premieren geschrieben.

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, konstatierte einst Hermann Hesse, aber das ist leider nur die halbe Wahrheit. Klar sind da die Vorfreude, das Kribbeln im Bauch, die Erwartungen, die eine Premiere so spannend machen. Und dennoch ist das erste Mal meist Murks. Die Aufregung, die fehlende Erfahrung, das hohe Blamierpotenzial – die Möglichkeit des Scheiterns ist immer gegeben. Der Grat zwischen Held und Hampelmann, auf dem man sich bei einem Debüt bewegt, ist eben ein schmaler.

Der erste Kuss, der erste Sex, das erste Jawort – Volker Wieprecht und Robert Skuppin haben über diese epochalen Ereignisse ihres Lebens ein Buch geschrieben. Zwei Radiolegenden lassen die Hosen runter? Ja, zumindest ein bisschen. Denn ihr Werk mit dem Titel „Das erste Mal: Küssen, fliegen, siegen und andere Debüts“, das sie am Dienstag im Kino Babylon vorstellen, widmet sich nicht nur den zwischenmenschlichen Premieren. Auch die Anschaffung des ersten Autos, ein Fallschirmsprung oder der Besuch eines Drei-Sterne-Restaurants werden nachträglich seziert und analysiert.

Ein früher Freitagnachmittag im Café Einstein in der Kurfürstenstraße. Robert Skuppin betritt das Café, es ist voll, der Kellner weist einen Tisch. Volker müsste jeden Moment kommen, sagt Skuppin. Man wartet. Nach einer Weile löst sich die Situation auf, der große Loriot hätte sich das nicht besser ausdenken können. Volker Wieprecht ist längst da, sitzt im Nebenraum, wartete ebenfalls. Gelächter und Kopfschütteln zur Begrüßung. Wenn es noch einen Beweis dafür bräuchte, dass die zwei zusammenpassen wie Ying und Yang – spätestens hiermit ist er erbracht.

Es ist nicht das erste Buch der beiden Radiomoderatoren, über das zu reden ist. Sie veröffentlichten bereits „Das Lexikon der verschwundenen Dinge“, zuletzt „Das Lexikon der Rituale: Von Abschied bis Zigarette danach“. Drei Jahre liegt das zurück. Seither ist viel passiert: Die beiden haben sich getrennt, zumindest am Mikrofon. Robert Skuppin wurde Programmchef bei Radio Eins, Volker Wieprecht moderiert nun nachmittags alleine. Nur vergangenes Jahr bei den Olympischen Spielen waren sie nach langer Zeit mal wieder zusammen zu hören.

Ist das neue Buch etwa der Versuch einer vorsichtigen Annäherung? Nee, nee, beteuern beide, alles ganz entspannt zwischen ihnen. Oder wie es Wieprecht formuliert: „Wir haben genauso feindselig miteinander agiert wie sonst auch.“ Skuppin sieht in der neuen Freiheit sogar einen Vorteil. „Die jetzige Zusammenarbeit ist freiwillig. Als wir noch sehr eng aufeinanderhingen, gab es gewisse Ermüdungserscheinungen. Da war Volker von mir genervt und ich von ihm. Wie so ein Pärchen.“

Wie Robert Skuppin seiner Maus die Pfote amputierte

Die Idee, über die ersten Male im Leben zu schreiben, angefangen bei der Kindheit bis hin zum Alter, gab es schon länger. „Wir wollten etwas Persönlicheres machen, etwas, das den Belletristen in uns fordert“, sagt Volker Wieprecht. Deshalb kein weiteres Lexikon, sondern ein Buch, das nach einem einfachen, aber bewährten Prinzip funktioniert: Es lässt die Wendepunkte einer Vita Revue passieren, Erlebnisse, die so oder so ähnlich jeder macht. Und so entwickelt sich beim Lesen automatisch ein Film, ein Split-Screen, in dem man seine eigenen Erfahrungen mit denen der beiden Autoren abgleicht: So war das also bei denen, und so war das bei mir!

Es gibt natürlich auch Erfahrungen, die haben die Verfasser exklusiv. So berichtet Robert Skuppin in einer Episode über sein erstes Haustier, wie er als Zehnjähriger eigenhändig eine Amputation vornehmen musste. Seine japanische Tanzmaus Max hatte sich mit dem Bein in einem Wattebausch verheddert, die Pfote entzündete sich, wurde schwarz. Um das Tier zu retten, griff Skuppin zur Nagelschere und schnitt das lädierte Gliedmaß kurzerhand ab, den Beinstummel desinfizierte er mit dem Aftershave seines Vaters. So hatte er es in Abenteuerfilmen gesehen. Max ging es danach tatsächlich besser, behauptet Skuppin heute. Alt wurde die Maus trotzdem nicht. Wenig später wurde sie bei einem Ausflug ins Freie von einer umherstreunenden Katze erlegt, weil Skuppin den oben offenen Käfig einen Moment unbeobachtet ließ.

Ansonsten, betont Volker Wieprecht, komme in dem Buch aber niemand zu Schaden. Intima wurden mit den Beteiligten abgeklärt. Wieprecht, der über seine erste Beziehung schreibt, hat die Geschichte seiner Ex-Freundin vorab vorgelegt, um sich deren Okay zu holen. Wenn jemand den Kürzeren zieht oder sich der Lächerlichkeit preisgibt, dann sind es höchstens die Autoren selbst. „Es geht eher um die Sachen, bei denen wir versagt haben und nicht die anderen“, sagt Wieprecht. Er hat sich eigens für das Buch auch einigen Mutproben unterzogen und zum Beispiel für die Episode „Das erste Mal unter Toten“ der Rechtsmedizin einen Besuch abgestattet, um bei einer Obduktion dabei zu sein.

Ein wenig Auslegungstoleranz sei beim Schreiben durchaus erlaubt gewesen, erzählt Wieprecht. Dabei verweist er auf jenes Kapitel, in dem Skuppin seinen ersten Sex beschreibt. „Robert hat das geschickt geschildert. Was er nicht erzählt hat, sind die ganzen Pleiten, Pech und Pannen, die sich dabei wirklich abgespielt haben.“ Es scheint also noch genügend Stoff für einen zweiten Teil zu geben. Skuppin wirkt jedenfalls nicht abgeneigt: „Der erste Parabelflug, das erste Mal Nacktschnecken essen oder Wasabi in der Nase, alles Sachen, für die wir leider keine Zeit mehr hatten. Das schreit für mich nach einer Fortsetzung.“

Eine Fortsetzung ihrer Zusammenarbeit stellen die beiden auch im Studio in Aussicht. Derzeit befinde sich das Programm noch in einer größeren Umbauphase, sagt Skuppin. „Wenn die vorbei ist, könnte ich mir vorstellen, alle 14 Tage wieder mit Volker zu moderieren. Das ist der Plan.“ Also leidet er gelegentlich doch unter Entzugserscheinungen? Ein bisschen. „Neulich habe ich die Sendung gehört, in der Volker Rainald Grebe zu Gast hatte. Das war richtig, richtig lustig. Da habe ich schon gedacht, dass ich jetzt auch gerne im Studio dabei wäre.“

Volker Wieprecht und Robert Skuppin: „Das erste Mal: Küssen, fliegen, siegen und andere Debüts“ Rowohlt-Verlag, 300 Seiten, 18,95 Euro.

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