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Die Initiatoren des Mietenvolksentscheid fordern mehr bezahlbaren Wohnraum in Berlin.

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Volksentscheid in Berlin: Stöß hält Mietenvolksentscheid zur Wahl 2016 für möglich

SPD-Chef Jan Stöß kann sich eine Abstimmung über bezahlbaren Wohnraum gemeinsam mit der Wahl 2016 vorstellen und weißt Vorwürfe über eine Verzögerungstaktik zurück.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der SPD-Landeschef Jan Stöß und Innensenator Frank Henkel (CDU) weisen den Vorwurf zurück, dass die rot-schwarze Koalition den Mieten-Volksentscheid absichtlich verzögere. Die SPD habe keine Angst, wenn die Abstimmung zeitgleich mit der Abgeordnetenhauswahl 2016 stattfinde, so Stöß. Seine Partei gehe selbstbewusst in die Diskussion über bezahlbare Mieten. Der Sozialdemokrat bekannte sich ausdrücklich zu einer „regen Bürgerbeteiligung“, mahnte aber einen ehrlichen Austausch der Meinungen an.

„Wichtig ist, dass von Anfang an offen und klar darüber diskutiert wird, worum es geht, wer profitiert und was es kostet“, sagte Stöß. Zum Beispiel sei es wichtig, die hohen Kosten des Mietengesetzes zu benennen, die alle Berliner am Ende tragen müssten. Außerdem enthalte das zur Abstimmung stehende Mietengesetz schwere handwerkliche Mängel. Auch die Innenverwaltung will den Vorwurf, den Volksentscheid mithilfe der laufenden rechtlichen Prüfung hinauszuzögern, nicht auf sich sitzen lassen. „Die beteiligten Verwaltungen prüfen schnellstmöglich“, sagte ein Sprecher.

Seit 2005 gab es acht Volksbegehren

Trotz dieses Streits mit den Organisatoren der Volksabstimmung findet es auch die Innenbehörde „erfreulich, dass die Bürger von den direktdemokratischen Möglichkeiten der Berliner Verfassung Gebrauch machen“. Im bundesweiten Vergleich ist Berlin Spitze, wenn es um die direkte Beteiligung der Bürger an politischen Fragen geht. Seit 2005 gab es acht Volksbegehren, von denen immerhin fünf in Volksentscheide mündeten. Nur Hamburg ist ähnlich gut aufgestellt. Dort fanden im letzten Jahrzehnt sieben Volksbegehren und drei -entscheide statt. In Bayern gab es ein Plebiszit. In den anderen Bundesländern blieb das Engagement der Bürger im Ansatz stecken.

Trotzdem sind auch in Berlin nicht alle zufrieden. Beim Volksbegehren für bezahlbare Mieten, für das über 40 000 Unterschriften gesammelt wurden, kritisieren Grüne und Linke den Senat, weil er das weitere Abstimmungsverfahren mit langwierigen rechtlichen Prüfungen hinauszögern wolle. Außerdem fordert die Opposition bisher vergeblich, die direkte Demokratie weiter zu verbessern. Der Senat lehnt das ab. „Eine Änderung der gesetzlichen Regelungen wird derzeit nicht als notwendig erachtet“, sagte ein Sprecher der Innenverwaltung.

Auch 16- und 17-Jährige sollen an Volksabstimmungen teilnehmen

Aber auch die SPD sieht aktuell offenbar keine Notwendigkeit für eine bessere Volksgesetzgebung. Dagegen fordern die Grünen, unterstützt von Linken und Piraten: Auch 16- und 17-Jährige sollen an Volksabstimmungen teilnehmen und Volksentscheide immer mit Wahlterminen zusammengelegt werden, um die Beteiligung zu erhöhen. Die Träger von Volksbegehren sollen vorab im Parlament angehört und die Kosten des Plebiszits vom Senat erstattet werden. Und wenn das Abgeordnetenhaus einen erfolgreichen Volksentscheid korrigieren oder aufzuheben will, soll ein „vereinfachter Volksentscheid“ dies verhindern können.

Entsprechende Anträge der Opposition liegen vor, wurden im Abgeordnetenhaus aber noch nicht beraten. Doch selbst bei gutem Willen ist es enorm schwierig, die geltende Volksgesetzgebung zu ergänzen oder zu korrigieren, denn sie ist in der Landesverfassung fest verankert. Korrekturen bedürfen also einer Zweidrittelmehrheit im Parlament. Zusätzlich muss jede Änderung der Landesverfassung durch eine Volksabstimmung bestätigt werden.

Das gelang zuletzt 2009. Damals einigten sich alle fünf Fraktionen auf eine Verfassungsreform. Dazu gehörten eine verbesserte Volksgesetzgebung, mehr Informationsrechte für Abgeordnete und die Richtlinienkompetenz für den Regierenden Bürgermeister. Ob und wann es erneut gelingen könnte, dass Regierung und Opposition ein solches Paket zugunsten von „mehr Demokratie“ schnüren, ist völlig offen.

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