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Volksentscheid: Tempelhof war Neuberlinern viel zu nostalgisch

Ost und West stimmten beim Volksentscheid ganz unterschiedlich ab. Und Neuberlinern soll der Stadtflughafen zu nostalgisch gewesen sein.

Der Volksentscheid zum Flughafen Tempelhof ist vor allem in den östlichen Bezirken und der Stadtmitte gescheitert. Während Westbezirke wie Steglitz-Zehlendorf, Tempelhof-Schöneberg oder Reinickendorf mit großer Mehrheit für die Offenhaltung plädierten, fiel die Zustimmung in Mitte geringer aus und wandelte sich in Pankow, Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf zu einem starken Nein.

„Anhand der Ergebnisse ist größtenteils der Verlauf der ehemaligen Mauer zu erkennen“, sagte der Leiter der Geschäftsstelle Wahlen im Statistischen Landesamt, Geert Baasen – mit Ausnahmen: Im Fusionsbezirk Friedrichshain-Kreuzberg seien Unterschiede kaum noch auszumachen. Insgesamt sprachen sich im Osten 36,4 Prozent der Teilnehmer für eine Offenhaltung und 63,6 Prozent dagegen aus. Im Westen stimmten 71,4 Prozent mit Ja und 28,6 Prozent mit Nein.

Außer in Kreuzberg, Friedenau, Neukölln und Tegel habe sich die Mehrheit im Westteil für den weiteren Flugbetrieb in Tempelhof ausgesprochen. Die Ost-Berliner seien vorwiegend für die Schließung gewesen. Ausnahmen bildeten hier Biesdorf, Pankow und Köpenick. Vor allem im Pankower Ortsteil Buchholz und Müggelheim im Bezirk Treptow-Köpenick hätten sich die Bürger für Tempelhof ausgesprochen. Kleine Gebiete direkt am westlichen Rand des Flughafens Tegel und an den Einflugschneisen für Tempelhof stimmten im Westen gegen den innerstädtischen Flughafen.

Für Richard Stöss, Politik-Professor am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität, zeigen die Ergebnisse, dass die CDU im Osten nicht Fuß fassen könne: „Sie war schon bei den letzten Wahlen sehr schwach, und dieser Trend hat sich bestätigt.“ Stöss sieht in der Folge auch die Taktik von CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger gescheitert, durch die Abstimmung seine Position innerhalb der CDU zu stärken und das bürgerliche Wählerlager in der Stadt wieder zu gewinnen: „Ich sehe Pflüger nach dem Ausgang der Abstimmung eher geschwächt.“

Stadtsoziologe Hartmut Häußermann von der Humboldt-Universität sagt, Tempelhof sei ein „nostalgisches Thema“ gewesen, bei dem viele Neu- und Ostberliner nicht verstanden haben, warum sie abstimmen sollten: „Vielen der Bürger, die sich mit der Zukunft beschäftigen, war nicht klarzumachen, warum sie für die Offenhaltung Tempelhofs stimmen sollten.“ So sieht es auch Stöss: „Selbst den Westberliner Wählern war klar, dass das Andenken an die Luftbrücke nicht nur durch einen Flugbetrieb, sondern genauso gut durch ein Museum oder eine Gedenkstätte gewahrt sein würde.“

Damit stelle sich das bürgerliche Wählerlager zumindest in der Tempelhof- Frage nicht so geschlossen dar, wie von den Befürwortern einer Offenhaltung angenommen – mit ganz praktischen Auswirkungen für die Parteien, so Stöss: „Die bürgerlichen Lager in der Innenstadt erreichen die Grünen mittlerweile sehr gut, während die CDU in den Randbereichen der Stadt stark ist.“

In der Mitte, wo viele Berliner leben, die nach der Wende zugezogen sind, hätten sich die Wähler nicht mobilisieren lassen, sagt Häußermann: „Für sie war Tempelhof ein Randthema, das zu einer politische Kraftprobe aufgemotzt wurde.“

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