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Senator Müller im Straßenwahlkampf und im Polohemd

© M. Amjahid

Volksentscheid Tempelhofer Feld: Rosen und laute Töne beim Endspurt

Die SPD verteilt Rosen an ihren Wahlkampfständen und schickt einen Senator als Erklärer auf die Straße. Die Aktivisten von "100 Prozent Tempelhofer Feld" versuchen es mit Trommeln bei ihrem Endspurt auf dem Feld.

Auch die „saturierten Bevölkerungsschichten“ hätten am SPD-Wahlstand auf dem Kaiser-Wilhelm-Platz vorbeigeschaut. So nennt Axel Seltz die Bebauungsgegner, die für ein freies Tempelhofer Feld kämpfen und den SPD-Bezirksverordneten auch mal als „Lügner“ bezeichnen. Als Stargast am Springbrunnen ist Michael Müller dabei. Als Senator für Stadtentwicklung muss er die Bebauung bzw. die Nicht-Bebauung des Feldes umsetzen. „Er ist heute in Zivil unterwegs“, flüstert Seltz und deutet auf des Senators beiges Polohemd. Einen Tag vor der großen Abstimmung wirkt der oberste Baupolitiker Berlins entspannt. Keiner weiß mehr genau, wie oft er „bezahlbare Mieten“, „keine Privatisierung“ und andere Versprechen in den letzten Monaten in den Mund genommen hat. Auch heute wiederholt er dies alles sanft, lächelnd und mit einer roten Rose in der Hand.

Eine schwierige Wahl

Erika Mühlthaler schlürft an ihrem Coffee-to-go. In einem günstigen Augenblick schnappt sich die Passantin den Senator. Er spult die Stichwörter geduldig ab. Als Grüne sei Mühlthaler natürlich gegen die Bebauung. Als Stadtarchitektin würde sie eine Neugestaltung des Feldes reizen. Als Bürgerin schaue sie selbstverständlich auf bezahlbare Mieten. „Komplizierte Lage“, sagt sie. Senator Müller habe sie aber überzeugt. Für eine Minute zumindest. Sie will es sich doch noch überlegen und geht Kaffee trinkend weiter.

Am nächsten SPD-Stand, auf dem Breslauer Platz, fünf Autominuten weiter südlich, blicken die Wahlkampfhelferinnen nervös auf die Besucher des Wochenmarkts. Die seien bald weg und Senator Müller habe sich schon vor fast einer Stunde angekündigt. Selbst Rosen haben sie für ihn zurückgelegt, damit er etwas zu verteilen habe. Als eine Wahlkämpferin einem Passanten ein SPD-Kochbuch mit europäischen Rezepten und den Worten „Es ist auch Europawahl“ in die Hand drücken will, schallt es zurück: „Die SPD hat uns auf dem Feld eine Suppe gekocht, die kann doch niemand auslöffeln.“ Wie gut, dass Senator Müller gerade mit einem frisch gekauften Rosenbouquet am Horizont auftaucht.

Die Baugegner trommeln beim Endspurt auf dem Feld

Samstags um 14Uhr war auf der Landebahn eigentlich ein Musik-Flashmob angekündigt, doch außer dem Zwitschern der Feldlerche ist nicht so viel zu hören auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof. Die angekündigten Bands verspäten sich. Nur ein kleiner Chor singt sich warm: „Schubiduba Schubiduba“.

„Das ist auch gut so“, sagt Esther Witt von der Initiative 100 Prozent Tempelhofer Feld. Denn diese Aktion sei nicht zentral organisiert worden. „Wir haben einen Aufruf gestartet und schauen, was passiert“, erklärt sie die dezentrale Philosophie der Bürgerinitiative. Esther Witt wirkt aufgeregt, angespannt. Sie fällt auf in ihrer knallgelben Warnweste. Sie rubbelt an ihrer Flasche mit Matetee. Nur noch eine Nacht schlafen, dann ist der große Tag da. Eine Prognose möchte sie nicht abgeben. Sie sei aber stolz, dass ihre Initiative es geschafft habe, dass sich die Berliner Gedanken machen über ihre Stadt.

Ein Baubefürworter zwischen den Gegnern

Auf der Wiese nebenan baut die Opposition ihre Stände auf. Hier beginnt der Wahlkampfendspurt am späten Nachmittag. Auf Sonnenliegen der Grünen sind die Besucher eingeladen, den „friedlichen Horizont“ auf sich wirken zu lassen: „Wollen Sie das wirklich aufs Spiel setzen?“, fragt jemand. Wahlkampfhelfer der Linken verteilen rote Luftballons an Kinder. Die dürfen morgen nicht wählen, aber vielleicht schauen ihre Eltern kurz auf den Flyer, den es dazugibt: „Privatisierung des Feldes verhindern“.

Zwischen den Bebauungsgegnern schwirrt einer ihrer größten Kontrahenten. Raed Saleh ist SPD-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus und warf den Aktivisten von der Initiative vor einigen Tagen noch „provinzielle Spießigkeit“ vor. Man könne aber immer miteinander sprechen, versichert er. Auch er gibt zu bedenken, dass am Wahltag „alles offen“ sei. Denn sogar hier auf dem Feld habe er Besucher getroffen, die für eine Randbebauung abstimmen wollen. Das muss er aber laut schreiend mitteilen. Die ersten Musiker haben sich auf dem Asphalt der Landebahn eingefunden. Zumindest hier sind die Gegner der Senatspläne deutlich lauter.

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