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In Berlin leben zwar viele Menschen, aber nicht so viele, wie gedacht.

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Update

Volkszählung mit finanziellen Konsequenzen: Berlin fehlen fast 180 000 Menschen

Nach den Ergebnissen der Volkszählung leben in Berlin fast 180 000 Menschen weniger als bisher angenommen. Das hat vor allem finanzielle Konsequenzen für die Stadt. Hauptgrund für die Abweichungen ist nach Meinung der Statistiker die Tatsache, dass weniger Ausländer als gedacht in Berlin leben.

Von Matthias Matern

Berlin muss sich auf deutlich weniger Geld aus dem Länderfinanzausgleich einstellen. Grund ist das Ergebnis der ersten bundesweiten Volkszählung seit der Wiedervereinigung, dem sogenannten Zensus 2011. Am Freitag wurden erste Ergebnisse für Berlin und Brandenburg vom gemeinsamen Amt für Statistik in Potsdam vorgestellt.

Demnach leben in Berlin statt wie bisher aufgrund von Fortschreibungen alter Zahlen angenommen nicht 3,471 Millionen Menschen sondern lediglich 3,29 Millionen Personen. Das sind insgesamt 179 000 Einwohner und 5,2 Prozent weniger als bislang angenommen. In keinem anderen Bundesland ist die Differenz größer. Da die Finanzkraft je Einwohner als Ausgangspunkt für den Länderfinanzausgleich eine tragende Rolle spielt, wird Berlin nach Einschätzung der Zensus-Experten des Statistikamtes bereits rückwirkend für 2011 weniger Geld erhalten oder muss möglicherweise Geld zurückzahlen. „Es wird für Berlin weniger Geld geben“, so Karsten Wenzel, zuständig für die Erhebung der Bevölkerungszahlen.

Für Brandenburg ist mit solchen Auswirkungen Wenzel zufolge indes nicht zu rechnen. Dort beträgt die Differenz lediglich 1,7 Prozent, 0,1 Prozent unter dem Bundesschnitt. Insgesamt leben dem Zensus zufolge in Brandenburg mit Stichtag 9. Mai 2011 2,45 Millionen Menschen. Die Fortschreibung vom 30. April 2011 ging von 2,49 Millionen Einwohner aus.

In Berlin erzielte der Bezirk Pankow mit einem Plus von 52 000 Einwohnern, also einem Zuwachs 17,1 Prozent, die größte Steigerung. In Marzahn-Hellersdorf dagegen ging die Einwohnerzahl um 47 000 Personen (16,4 Prozent) zurück. Die größten Abweichungen gegenüber der Fortschreibung vom April 2011 weisen Charlottenburg-Wilmersdorf mit einem Minus von 9,5 Prozent und Reinickendorf mit 4200 Einwohnern weniger auf.

Der Hauptgrund für die enormen Abweichungen zwischen angenommener Einwohnerzahl und dem Zensus-Ergebnis, vor allem in Berlin, ist nach Meinung der Statistiker die Tatsache, dass weit weniger Ausländer in Berlin und Brandenburg leben als gedacht. Knapp 60 Prozent der Ausländer, die bislang in den Melderegistern geführt wurden, leben offensichtlich gar nicht mehr in Berlin-Brandenburg. In Berlin sind es 106 000 Menschen weniger, immerhin 22 Prozent der bislang angenommen Gesamtzahl aller Ausländer. „Möglicherweise sind viele einfach weggezogen und haben sich bei den Meldeämtern nicht abgemeldet“, so die Präsidentin des Statistikamtes, Ulrike Rockmann.

Nur jeder vierte bis zum Zensusstichtag in Berlin Lebende (23,9 Prozent) hatte demnach ausländische Wurzeln. Der Anteil der Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit stieg von 1991 bis 2011 von 9,9 auf 11,3 Prozent, beziehungsweise 372 280 Personen. Diese Gruppe war deutlich größer eingeschätzt worden. Von den Personen mit Migrationshintergrund hatte fast jede zweite (47,7 Prozent) hatte keine deutsche Staatsangehörigkeit.

Ebenfalls erhoben wurden Daten zum Bestand an Wohnungen und Gebäuden. Dabei dürfte vor allem das Ergebnis zum tatsächlichen Wohnungsbestand Berlin vor dem Hintergrund der Diskussion um ausreichenden günstigen Wohnraum in der Stadt im Senat für Kopfschmerzen sorgen. Denn die Zählung hat ergeben, dass es 2900 Wohnungen weniger gibt als bislang angenommen. Die Leerstandsquote beträgt stadtweit 3,6 Prozent. In Brandenburg dagegen gibt es demnach sogar 1,6 Prozent mehr Wohnungen als gedacht. 5,8 Prozent aller Wohnungen stehen leer, in Potsdam aber nur drei Prozent.

Wie wichtig auch weiterhin bezahlbare Mietwohnungen in Berlin sind, zeigt der geringe Anteil von Wohneigentum am gesamten Wohnraum. Mit nur 15 Prozent selbst genutzten Wohneigentum ist Berlin bundesweit Spitze. Im Saarland sind es mehr als 58 Prozent, in Brandenburg 41,7 Prozent. „Berlin ist und bleibt eine Mieterstadt.“

Die Zensus-Ergebnisse aus Brandenburg

Gravierende Unterschiede zu der jüngsten Fortschreibung zeigen sich in Brandenburg allerdings auf kommunaler Ebene. So ergab der Zensus etwa, dass in der Gemeinde Prötzel in Märkisch-Oderland nicht 1139, sondern nur 1011 Menschen leben. Immerhin ein Unterschied um 11,2 Prozent. Solche und ähnliche Differenzen könnten laut Wenzel zumindest beim kommunalen Finanzausgleich innerhalb Brandenburg zu „erheblichen Verschiebungen“ führen. Während Prötzel landesweit den Negativrekord hält, darf sich die Gemeinde Schwerin über das Zensus-Ergebnis wohl am meisten freuen. Dort wohnen 25,2 Prozent mehr Einwohner als gedacht. Den größten Zuwachs seit 1991 verzeichnet der Erhebung zufolge der Landkreis Potsdam-Mittelmark mit 24,2 Prozent, gefolgt von Oberhavel mit 20,2 Prozent. Potsdam legte um 6,5 Prozent auf aktuell 156 021 Einwohner zu.

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