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Berlin: Vollständig – aber noch nicht vollendet

Die letzte Stele des Holocaust-Mahnmals steht. Architekt Peter Eisenman wünscht sich viel Leben zwischen den Betonquadern

Keine fünf Minuten dauerte es gestern, da stand die letzte der insgesamt 2711 Stelen des Denkmals für die ermordeten Juden Europas. Ein kleiner Schwenk mit dem Kran, ein großer Schritt für Berlin, könnte man sagen. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) drückte es so aus: „Dies ist ein ganz besonderer Tag, der Anlass zur Freude gibt. Denn nun steht der pünktlichen Fertigstellung des Denkmals nichts mehr im Wege.“ Die Aufstellung der letzten Stele auf dem 19000 Quadratmeter großen Gelände gegenüber vom Tiergarten eineinhalb Jahre nach Baubeginn entspricht dem Zeitplan. Das Mahnmal soll am 10. Mai nächsten Jahres eröffnet werden. Bisher ist auch finanziell alles im Rahmen der vorgesehenen 27,8 Millionen Euro geblieben.

„Ich fühle mich wie eine Mutter, die ein Kind zur Welt gebracht hat: überwältigt und glücklich“, sagte Mahnmals-Architekt Peter Eisenman und schmiegte sich für die vielen Kameras immer wieder an den grauen Beton. Er sei aber auch ein bisschen traurig, weil nun ein „sehr aufregender Prozess“ abgeschlossen sei, bei dem er viel über Deutschland gelernt habe. Darüber, wie hier diskutiert werde, und dass man besser keine Witze machen sollte. Er spielte auf einen Witz an, den er im Kuratorium der Denkmalstiftung über Zahngold und die Firma Degussa gemacht hatte, worauf es heftige Debatten gab. „Ich kann es gar nicht fassen, dass du diese ganzen Diskussionen überstanden hast“, habe Richard Serra neulich zu ihm gesagt, erzählte Eisenman. Der Bildhauer wollte das Mahnmal ursprünglich mit ihm zusammen bauen, ist dann aber ausgestiegen, weil er den „Ort der Information“ ablehnte. „Als Architekt bin ich gewohnt, Kompromisse zu schließen“, sagte Eisenman, ein Bildhauer brauche das nicht.

Vollendet sei das Mahnmal aber noch lange nicht. „Erst wenn Menschen da durchlaufen, ist es komplett.“ Er wünscht sich viel Leben zwischen die Stelen und schwärmt von Tänzern auf den Betonquadern bei der Eröffnungsfeier. Von einer Bannmeile um das Denkmal hält er nichts: „Wo soll man aufhören, wenn man einmal mit Verboten anfängt?“ Wenn die Nazis unbedingt übers Stelenfeld laufen wollten, dann sollten sie es eben tun. Er wolle mit den Stelen ja auch nichts symbolisieren, sondern den Menschen die Möglichkeit geben, eine körperliche Erfahrung zu machen.

Auch Lea Rosh, die Vorsitzende des Fördervereins, der die Idee für das Mahnmal hatte und sich seit 1988 dafür einsetzt, ist begeistert: „Der Ort hat eine starke emotionale Anziehung.“ Man fühle sich einsam und verlassen zwischen den Stelen und könne sich vorstellen, wie sich die Juden damals fühlten.

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