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Berlin: Vollstreckung im Morgengrauen

In der Rigaer Straße 94 wurden gestern fünf Wohnungen geräumt – kurz darauf brannte ein Auto

Es ist früh am Morgen, kurz vor sechs Uhr, als in der Rigaer Straße in Friedrichshain die Flaschen fliegen. Glas splittert, Polizisten zucken, Fahnen wehen, am Himmel kreist ein Hubschrauber. Guten Morgen, Berlin.

„Autonomen Freiraum schaffen“ haben Demonstranten auf ein Plakat gemalt. Doch dieser Freiraum, das Haus an Rigaer Straße 94 ist Sekunden später abgeriegelt. Die Autonomen stehen schweigend vor einer Bäckerei. Mannschaftswagen versperren den Blick, drei Straßen weiter wartet ein Wasserwerfer. 300 Polizisten sind im Einsatz, fünf Wohnungen sollen geräumt werden. Der Eigentümer kämpft seit Jahren vor Gerichten gegen das autonome Wohnprojekt. Jetzt ist er mit dem Gerichtsvollzieher angerückt, „wir leisten Vollstreckungsschutz“, sagt ein Polizeisprecher. „Es kann ja sein, dass Fallen gebaut worden sind. Löcher im Boden. Oder Bretter mit Nägeln.“ Da die Polizei Attacken aus dem Hinterhalt befürchtet, werden die Dächer vom Hubschrauber aus beobachtet. Als die Demonstranten abgedrängt sind, rückt das Spezialeinsatzkommando (SEK) an. Zehn vermummte Männer dringen mit Leitern und Motorsägen in den Hinterhof ein. „Wir haben an den Türen geklopft, aber niemand hat uns geöffnet. Die Wohnungen sind leer“, sagt Michael Knape, der Einsatzleiter. „Wir müssen gewaltsam eindringen.“ Das hatten der grüne Bundestagsabgeordnete HansChristian Ströbele und Bezirksbürgermeisterin Cornelia Reinauer versucht zu verhindern. Vergeblich. „Der Eigentümer hat uns Hausverbot erteilt“, sagt Ströbele. Um sieben Uhr hat die Polizei die Lage im Griff. Eine Stunde zuvor waren die Demonstranten zur Frankfurter Allee gerannt und hatten die Straße blockiert. Als in der Ferne Rauch aufstieg, jubeln die Menschen. Unbekannte haben einen Smart angezündet. Der Kleinwagen gehört einer Krankenpflegefirma und hat einen entsprechenden Werbeaufdruck. Die Täter trugen oder schoben das am Fahrbahnrand der Karl-Marx-Allee stehende Auto auf die Mittelinsel und steckten es dort an. Der für politische Taten zuständige Staatsschutz der Polizei hat die Ermittlungen übernommen.

Die Mieter der fünf Wohnungen haben bis zum Schluss vergeblich darauf hingewiesen, dass sie seit Dezember Miete zahlen und sich das Urteil auf die Vormieter beziehe. Doch die Polizei hatte keine Lust zu reden. Die Maurer waren eh schon drin. Für Donnerstagabend kündigten die Ex-Besetzer eine weitere Demo vor der Rigaer 94 an. AG/Ha

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