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Potsdams SPD-Oberbürgermeister Jann Jakobs steht unter Druck: Seine Machtbasis bröckelt, aber eine Eigenschuld gesteht sich Jakobs nicht ein.

© Thomas Klaer

Vom Stadtwerke-Skandal bis zur Tourismusabgabe: Oberbürgermeister Jann Jakobs steht unter Druck

Jann Jakobs hat es nicht leicht: Erst das Stadtwerke-Skandal, dann derKunsthallen-Streit und nun der Konflikt um Tourismusabgabe und Sanssouci-Parkeintritt. Potsdams SPD-Oberbürgermeister steht unter Druck und seine Machtbasis bröckelt. Ganz unschuldig ist er daran nicht.

Kein Scherz, kein Späßchen wie sonst, nicht einmal ein sarkastischer Spruch. Schon als Jann Jakobs, dunkler Anzug, weißes Hemd, letzten Mittwoch pünktlich um 17 Uhr den Blauen Salon im Potsdamer Rathaus betrat, um dort den Hauptausschuss des Stadtparlaments zu leiten, wirkte er angespannt. Keinem der Stadtverordneten drückte er die Hand, ungewöhnlich für ihn. Die Sitzung lenkte er zügiger, betont förmlich. Nein, er ließ es auf keinen offenen Streit mit dem Stadtparlament ankommen, diesmal nicht. Dabei hatten erst zwei Tage vorher seine eigenen Genossen, sein Rathausbündnis aus SPD, CDU, Grünen und FDP, die Tourismusabgabe gestoppt, die Jakobs einführen will, um einen Pflichteintritt im Park Sanssouci zu verhindern. Er hatte getobt, getrotzt. An diesem Abend sagte er zu alldem kein Wort.

Er ist ja einigen Kummer gewohnt, dieser Jann Jakobs, 59 Jahre, SPD, geboren in Ostfriesland, zwischendurch mal Jugendamtsleiter in Spandau. Seit zehn Jahren regiert er nun schon Potsdam, was für diese schwer regierbare Hauptstadt Brandenburgs, mit ihrer verkrusteten Verwaltung, die den Neubürger Günther Jauch auf die Barrikaden trieb, eine halbe Ewigkeit ist. Und jetzt ist er plötzlich der Mann, von dem abhängt, ob die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten der Länder Brandenburg, Berlin und des Bundes an den Toren des Schlossparks Sanssouci ab Frühjahr 2014 einen Pflichtobolus kassieren wird. Zum ersten Mal in der Geschichte überhaupt, obwohl selbst zu Zeiten der Könige die Parks für jedermann frei zugänglich waren.

Was hat er für Tiefen erlebt, etwa die Affäre um die Stadtwerke, die ihn das Amt hätte kosten können, und nun das. Im Oktober 2010 war er wiedergewählt worden, für acht Jahre, mit einem für seine Verhältnisse triumphalen 60-Prozent-Ergebnis. Seinen langjährigen Widersacher im „roten“ Potsdam, den Linken Hans-Jürgen Scharfenberg, hatte er da endgültig deklassiert. Seitdem ist keiner mehr, der ihm das Amt streitig zu machen versucht. In seiner zweiten Amtszeit, der letzten, altersbedingt. Vielleicht verführt das alles? Vielleicht ist das der tiefere Grund, weshalb Jakobs seitdem noch weniger Rücksichten nimmt, immer einsamer regiert, was jetzt im Debakel um Tourismusabgabe und Sanssouci-Eintritt mündete? Er nehme andere kaum mit, kommuniziere wenig, wurde schon länger geklagt, in der Verwaltung, in der SPD-Stadtfraktion, im Anti-Linke-Rathausbündnis aus SPD, CDU, Grünen und FDP, das ihm bislang die Mehrheiten sicherte. Und sie jetzt verweigerte.

Vorboten gab es, viele sogar. Immer wieder hatte Jakobs im Stadtparlament auch gegen seine eigenen Leute gestimmt – bei Bauprojekten, bei der Straßenreinigungssatzung. Oder als SPD-Kreis- und Fraktionschef Mike Schubert einen Plan vorlegte, wonach das Ordnungsamt mehr Aufgaben der Polizei übernehmen könnte. Jakobs lehnte das ab, die Stadtverordneten stimmten trotzdem zu. Kein Oberbürgermeister kann ohne Machtbasis agieren. Doch schon in seinen Interviews zum Jahreswechsel konnte man lesen, wie einer dabei war, abzuheben, Haftung zu verlieren. Es war nach dem Fiasko um die gescheiterte Kunsthalle des Mäzens Hasso Plattner am Standort des alten DDR-Interhotels, einer Bausünde neben dem aufgebauten Stadtschloss. Und Jakobs teilte aus, nach allen Seiten, gegen Plattner, der seiner Meinung nach mehr hätte aushalten müssen, gegen Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), der sich in die Bresche hätte werfen müssen, gegen Günther Jauch, der sich über Antiwohltätertendenzen in Potsdam beklagt hatte, gegen die Linken. Nur einer hatte alles richtig gemacht: Er selbst.

"Bettensteuer" als Brücke für Jakobs, die er aber nicht gehen will

So war es jetzt wieder bei der gescheiterten Tourismusabgabe, die er bei 15 000 Gewerbetreibenden in der Stadt kassieren wollte, um daraus den der Stadt von der Stiftung abgepressten jährlichen Millionenbeitrag für die Pflege der Unesco-Gartenanlagen zu finanzieren. Sicher, viele wären unter die Bagatellgrenze gefallen, außerhalb der Touristengegenden. Doch alle sollten dafür ihre Umsätze gegenüber dem Rathaus offenlegen, ein explosives Ansinnen. Doch Jakobs überhörte jedes Warnsignal, wollte nicht wahrhaben, wie die Stimmung kippte. Er ignorierte, dass im Stadtparlament die einst verabredete rot-rote Mehrheit schon seit Monaten wackelte.

Dabei waren es nicht die Linken, sondern seine Genossen, von Händlern und Unternehmern bestürmt, die zu unsicheren Kantonisten wurden. So lief es letzte Woche auf einen Rathauskrimi hinaus: Bei der Abstimmung am 5. Juni sollte die Tourismusabgabe nicht von Jakobs Rathausbündnis, sondern von SPD und Linke durchgebracht werden. Doch das ging nicht auf, weil nach CDU und FDP zuletzt auch die Grünen „nein“ sagten, offiziell. Dies zu ignorieren wäre der Bruch der Stadtkoalition gewesen. Und ein zerbrochenes Rathausbündnis und eine rot-rote Abstimmungsniederlage zur Tourismusabgabe dazu, das wäre für Jakobs, für seine Partei zum Fiasko im Jahr vor der Kommunalwahl 2014 geworden. Und mit welcher Mehrheit wollte Jakobs eigentlich in wenigen Monaten seinen Vize, Bürgermeister Burkhard Exner wiederwählen lassen?

Das war der Grund, weshalb SPD-Stadtfraktionschef Mike Schubert umschwenkte, dem Oberbürgermeister mit den anderen Koalitionären die Pistole auf die Brust setzte und die Tourismusabgabe kippte. Aber Jakobs wurde eine Brücke gebaut, die Idee zur „Bettensteuer“ war geboren, die „nur“ die Hotels belasten soll. Eine Brücke, über die Jakobs aus tiefster Überzeugung nicht gehen will. Die Tourismusabgabe war schließlich sein Projekt. Ein halbes Jahr hatten seine Experten und ein extra beauftragter Anwalt an der Satzung getüftelt. Alles umsonst? Von einem Tag auf den anderen? So nicht, nicht mit Jann Jakobs. Er sei eben ein ostfriesischer Sturkopf, sagen Vertraute, die es wohl mit ihm meinen. „Er war schon immer so. Da hat sich nichts geändert“, meint Oppositionsführer Scharfenberg. „Für Ratschläge ist er wenig zugänglich.“ Zugleich hat sich wieder mal gerächt, dass der Kreis derer, mit denen er sich berät, arg überschaubar ist. Da ist das Oberbürgermeisterbüro unter Dieter Jetschmanegg (Spitzname „Der Entschleuniger“), der auch nicht als Kommunikator und Netzwerker in die Stadtfraktionen hinein gilt. Da ist Stadtsprecher Stefan Schulz, ein loyaler Diener seines Herren. Aber Korrektive, Kritiker, Seismografen? Kaum da, auch nicht bei Potsdams Beigeordneten. Kein Wunder, denn auch in der Führung des Rathauses knirscht es häufig. Besonders das Verhältnis zu Kultur- und Schuldezernentin Iris Jana Magdowski (CDU) gilt als zerrüttet. In den Beigeordnetenkonferenzen soll Jakobs, der Härte zeigen kann, ihr gegenüber laut werden.

Ja, es gibt auch die anderen Stimmen. Die, die es gut finden, dass Jakobs, der in der Russischen Kolonie Alexandrowka wohnt, selbst für Alteingesessene zum Potsdamer geworden ist, „im Rathaus- und SPD-Filz“ trotz der langen Zeit eben kein Parteisoldat geworden ist. Er sei „erstaunlich anständig, ja unabhängig“ geblieben, sagt eine, die ihn lange begleitete. Und es gibt die, denen er einfach leid tut, weil die Schlösserstiftung, dieser Staat im Staate Potsdam, mit ihren knausrigen öffentlichen Finanziers – Brandenburg, Berlin und Bund – der Landeshauptstadt und deren Oberhaupt nur die Wahl zwischen Skylla und Charybdis ließ. Der Stiftungsrat hatte beschlossen, ab Frühjahr 2014 ein Eintrittsgeld für den Park Sanssouci einzuführen – es sei denn, Potsdam überweise jährlich eine Million Euro. Und nun läuft die Frist ab. Bis zum 30. Juni muss der Rathauschef eine verbindliche Vereinbarung über eine jährliche Millionenüberweisung für die Zeit von 2014 bis 2018 unterzeichnet haben. Noch will Jakobs das nicht tun, obwohl er selbst den Parkeintritt als „Gau“ bezeichnet.

Als der Hauptausschuss am Mittwochabend im Rathaus das weitere Vorgehen absteckte, da setzte Potsdams Oberbürgermeister ein versöhnliches Zeichen, ausgerechnet im wohl bittersten Moment. Da wurde auf Antrag der eigenen SPD seine Tourismusabgabe vertagt, wohinter sich allerdings die Beerdigung des Projekts verbarg. Und Jann Jakobs, der nun 30 Tage Zeit hat, eine Bettensteuer, also eine City-Tax wie Berlin einzuführen oder eine Million jährlich für die Stiftung aus anderen Quellen zu besorgen, oder an den Eingängen zum Park Sanssouci wird abkassiert, hob seine Hand.

Wenn er nicht hinwerfen will, dann hat er ja noch sechs Jahre vor sich.

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