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Berlin: Von beleidigt keine Spur

Unsere Probierrunde kostete Leberwurst aus dem Berliner Handel - und fand meisterliche Produkte

Kolja Kleeberg hat unlängst in der Kochsendung von Johannes Kerner mit seinen Leberwurst-Maultaschen ein Zeichen gesetzt. Denn die vermeintlich plebejische Wurstsorte in einem intelligenten Rezept zeigt, dass man TV-Zuschauer nicht unterschätzen sollte - sie sind längst darüber hinaus, Leberwurst immer nur stupide auf die Stulle zu schmieren. Deshalb war Kolja Kleeberg in seinem Restaurant „Vau“ auch der prädestinierte Gastgeber unserer monatlichen Testrunde.

Die Bio-Leberwurst von „Gut Schönhof“, die Gerold Möller im Grunewald führt, weist unter einer grauen Oberfläche unvermittelt eine rosa Farbe auf, die vermutlich auf den gründlichen Einsatz von Pökelsatz zurückzuführen ist. Ihre Konsistenz wird bestimmt von gerupftem Schweinefleisch, das sie beinahe schon zum Rillette macht. Allerdings ist sie so stark mit Salz versetzt, dass der zarte Lebergeschmack nicht zur Geltung kommen kann und folglich nur Fett und eine gewisse Pfeffrigkeit dominieren.

Kleebergs Mitarbeiter Sven Oesker, der das Fleischerhandwerk in einer Mariendorfer Metzgerei erlernt hat, bevor er eine Kochlehre im VAU begann, mochte sich mit der „Hof Ohlbrock Leberwurst mit Majoran“ aus der Holsteinischen Räucherkate gar nicht befreunden. „Sie besitzt eine Körnigkeit, die auf viel Maschineneinfluss hin deutet“, sagte er. Immerhin ist das Leberaroma wegen eingearbeiteter Stückchen recht präsent. Letzteres ist in „Butter Lindners Heideleberwurst“, die nach Angabe des Verkaufspersonals aus einem kleinen Betrieb in der Pfalz stammen soll, nicht so leicht auszumachen, denn auch hier scheint ihm das Mineral einen Strich durch die Rechnung zu machen. Zur glatten „Bioland Leberwurst“ aus dem Naturkost-Supermarkt, die im Wendland verfertigt wird, fiel den beiden Experten nur eins ein: „Chappis Liebling“.

Und zum Glas von „Gut Temmen“ in der Uckermark, das aus der selben Quelle stammte, sagten sie nur „grandios gesalzen“. Dass außerdem noch Knoblauch, Pfeffer und Schmalz den Ton in diesem Faseraufstrich angeben, macht die Sache nicht unbedingt besser. Die grobe Leberwurst vom „Franziskushof“ wirkt wie die Steigerung der Bauernwurst, und ohne Gurke, Bier und einen Schnaps zum Schluss kann man sich den Verzehr dieses Schweine-Corned-Beefs kaum vorstellen.

Wenn der handwerkliche Ansatz grundsätzlich stimmt und die verwendeten Zutaten von guter Qualität sind, dann wiegen Fehltöne umso schwerer – wie bei der rustikalen Leberwurst der Fleischerei Bachhuber in Wilmersdorf. Immerhin hat man dort den Mut, ganze Pfefferstückchen in den mittelfesten, deutlich süßen Teig zu bringen, was für eine Art Binnenspannung sorgt; ein merkwürdiges Seitenaroma, das die Runde an Sojasauce erinnerte, irritiert dennoch.

Der „Pfälzer Leberwurst“ von der Metzgerei Weindel in Landau entströmt als erstes ein typischer Dosengeruch. Sobald er verflogen ist, illustriert die bei „Viniculture“ erhältliche Wurst eindrucksvoll, warum der Pfälzer Typ so beliebt ist. Leicht süßlich, ein bisschen fettig, gekonnt mit Zwiebel und Pfeffer versetzt, versteckt sich das Leberaroma zunächst hinter einem ordentlichen Biss durch gezupftes Schweinefleisch, entwickelt sich dann aber deutlich vernehmlich am Gaumen. Wie ein Schweinekrustenbraten riecht die „Staroske Bauernleberwurst“. Mit ihrer Fleischigkeit verkörpert sie eher die schlesische Machart und entwickelt sich von einer diesmal nicht störenden Körnigkeit zum Weichen und Satten hin, dem die Leber das mitteilt, was man unter Hausmacherart versteht.

Vor Staroske schoben sich nur noch zwei Leberwürste, zwischen denen sich die Runde nicht leicht entscheiden konnte. Die „Pfälzer Leberwurst“ vom Neuland-Metzger Frank Bauermeister verblüfft mit einer ungewohnten Süße, die von einem hohen Zwiebelanteil herrührt. Trotz gezupfter Fleischstücke von Schulter und Bauch bleibt sie eine ausgesprochen cremige Streichwurst, deren Lebergeschmack von kräftiger Würze flankiert wird, in der Knoblauch nicht fehlt. Das Besondere jedoch dürfte die malzige Note sein, die sich auf der Zunge prickelnd ausbreitet, als hätte man dazu ein paar Tropfen Whisky geschlürft.

Markus Benser wurde im Jahr 2004 von der Confrérie des Chevalier du goûte Boudin zum Blutwurstritter geschlagen. Doch über Medaillen und Trophäen für seine großartige Blutwurst hat er die Leberwurst nicht vergessen. In Optik und Konsistenz perfekt, tritt auch bei ihr die Süße gleich berechtigt neben das Salz und sorgt für das, was man als Körper oder Volumen bezeichnen könnte. Allerdings ist der Einfluss der Zwiebel gegenüber Bauermeister ins Angebratene, ja Crunchyhafte verschoben. Ihr grober Charakter wird nachdrücklich sowohl durch bissfestes Fleisch als auch durch wuchtigen Pfeffer sowie eine herzhafte Kräuterigkeit betont, die der Mehrzahl der zur Debatte stehenden Würste abging. Am Ende wurde Markus Benser also zum Leberwurst-Meister der Tafelrunde erklärt.

Jürgen Bachhuber, Wilmersdorf, Güntzelstr. 47

Frank Bauermeister, Charlottenburg, Danckelmannstr. 11

Marcus Benser, Neukölln, Karl-Marx-Platz 11

Hinkel, Wilmersdorf, Ludwigkirchstr. 3

Gerold Möller, Grunewald, Bismarckallee 23/auf dem Gelände der Johannischen Kirche

Staroske, Tiergarten, Potsdamer Str. 116

Franziskushof-Laden, Charlottenburg, Mommsenstr. 63

Holsteiner Räucherkate, Charlottenburg, Schlüterstr. 71

Viniculture“, Charlottenburg, Grolmanstr. 44/45

VAU, Mitte, Jägerstr. 54/55, Tel. 2029730

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