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Berlin: Von Berlin in die Bronx

Daniel Libeskind plante in Charlottenburg seinen großen Wurf für Ground Zero – jetzt zieht er nach New York

Von Sigrid Kneist

und Christian van Lessen

Der Mann ist wahrhaft polyglott. Als Daniel Libeskind 1989 den Wettbewerb für ein Jüdisches Museum in Berlin gewann, nannten ihn die Zeitungen den Mailänder Architekten. Davon spricht heute in der Stadt keiner mehr; jetzt vereinnahmt sie ihn, der 1989 mit seinem Büro Quartier in Berlin nahm, als einen der Ihren. Mit solchen Klassifizierungen kann Libeskind, als 14-jähriger gebürtiger Pole mit seinen Eltern in die USA ausgewandert, nur wenig anfangen. Er sieht sich lieber als Amerikaner, in der Bronx aufgewachsen (Siehe auch Interview Seite 23). Genau dorthin wird er jetzt wieder mit seiner Familie zurückkehren, um an der Bebauung von Ground Zero zu arbeiten. Noch gibt es in der Bronx lediglich ein provisorisches Büro, aber schon bald soll es aufgestockt werden. Auch aus Berlin werden Mitarbeiter dorthin wechseln.

Dennoch wird das Büro in der Windscheidstraße in Charlottenburg erhalten bleiben, allerdings mit einem verkleinerten Team. Gestern wurde dort wieder gearbeitet, auch wenn bei manchem die Feierei nach der Juryentscheidung ihre Spuren hinterlassen hat. Denn hier wurde das Ground-Zero-Projekt geplant. Aber es ist nicht das Einzige, das in Berlin auf den Weg gebracht wird. Auch Bauten in Toronto, Denver, London und Israel nehmen hier ihren Anfang.

In Berlin ist der Name Libeskind untrennbar verbunden mit dem Jüdischen Museum. Diesem silbern-glitzernden Zickzackbau, der an einen zerschlagenen Davidstern erinnern soll. Schon lange vor Eröffnung des Museums im September 2001 pilgerten Zehntausende durch den Bau. Die Architektur trug unzweifelhaft dazu bei, dass das Haus in der kurzen Zeit seit seiner Eröffnung den zweiten Platz in der Besuchergunst einnahm, nur das Pergamon-Museum zählte im Vorjahr mehr Besucher. Dies widerlegte auch die Kritiker, die den Bau für „unbespielbar“ hielten.

„Ein wunderbarer Objekt-Architekt“, urteilt inzwischen Senatsbaudirektor Hans Stimmann, einst einer der schärfsten Kritiker Libeskinds. Heute lobt er das Jüdische Museum, das ihm anfangs als zu monströs erschien. Auch seinen Pragmatismus und die Kooperationsbereitschaft, durch die er sich wohltuend von anderen Stararchitekten unterscheidet, hebt er hervor. Was aber den Städtebau angeht, da lagen zwischen Stimmann und Libeskind, der aus Sicht des Architekturkenners für das Neue Berlin nicht viel übrig hat, einfach zwei Welten. Den Potsdamer Platz hält der Architekt nicht für gelungen. Er sieht ihn als Beispiel dafür, „dass man die besten Architekten der Welt engagieren kann und trotzdem nichts Großartiges herauskommen muss“. „Von Libeskind habe ich noch keinen neuen Gedanken zum Thema Berlin gehört“, nörgelte hingegen Stimmann im Jahr 2000. Libeskind entwarf Pläne für den Potsdamer und den Alexanderplatz, gewann den Wettbewerb für ein Viertel an der Landsberger Allee. „Lauter schräge Gebäude“, erinnert sich Stimmann, das Projekt wurde zu den Akten gelegt. Vor Stimmanns Zeit entwarf Libeskind 1988 einen schrägen, 450 Meter langen und 20 Meter hohen Bau für Büros, Wohnungen und Läden in Tiergarten. „Durchaus nicht utopisch“, urteilte der damalige Bausenator Geog Wittwer. Das Projekt wäre Libeskinds Einstieg ins Berliner Baugeschehen gewesen. Die Planungen wurden aber verworfen.

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