zum Hauptinhalt

Berlin: Von der Vernunft des Bestehenden

Herausgeber bleibt Herausgeber: Hermann Rudolph ist 65 geworden

Ist Hermann Rudolph ein Konservativer? Eher nicht, meint BundespräsidentenKandidatin Gesine Schwan, „aber sehr behutsam im Anzetteln von Revolutionen“. Dies hier ist von Tagesspiegel-Geschäftsführer Joachim Meinhold: Was die Gestaltung der Zeitung angeht, so sei Rudolph, erst Chefredakteur, dann Herausgeber, „immer von der Vernunft des Bestehenden ausgegangen“. Nein, keine Sorge, das wird kein Nachruf, nicht einmal ein beruflicher – warum haben wir uns hier eigentlich getroffen, zumal gegen den Widerstand des zu Ehrenden? Hermann Rudolph ist 65 geworden, gut, aber das ist schon fast zwei Wochen her und er bleibt ja auch Herausgeber. Aber dies wäre ein Grund: Er hat den Geburtstag zum Anlass genommen, die montägliche Blattkritik, eine Institution der Zeitung, aufzugeben. In Zukunft wird sich die Redaktion also selbst sagen müssen, wie sie die Ausgaben vom Wochenende fand.

Na, irgendwie war es doch ein 65.Geburtstag an diesem Montagabend. Streicher der Deutschen Oper gaben Mozarts heiteres Jagdquartett, Freunde wie Monika Maron, Peter Merseburger und eben Gesine Schwan waren gekommen, und es wurden Reden gehalten, gesättigt mit Rudolph-Anekdoten, die dieser anschließend mit typisch schräg gelegtem Kopf und der ebenso typischen minimalinvasiven Ironie allesamt dementierte. Dass er vor der Bundestagsentscheidung für Bonn oder Berlin melancholisch mit Bonn gerechnet und den anderen Leitartikel gar nicht erst vorbereitet habe – genau andersherum. Und was seinen konservativen Einfluss angehe: Die „Diktatur des Layouts“ mit Riesenbildern in der Mitte der Seite habe er ja nun nicht verhindern können, nicht wahr? Dennoch habe sich das Blatt „sehr ordentlich gemacht“. Hohes Lob!

Was macht ein Herausgeber von Rudolphs Format? Er sei das „Über-Ich“ der Zeitung, sagt Gesine Schwan, einer, der dennoch niemanden vor den Kopf stoße, weil er sich nie arrogant überhebe. Aber, meint Giovanni di Lorenzo, sein Nachfolger als Chefredakteur, einer mit Beharrungsvermögen: In 13 Jahren Rudolph-Leitartikel sei es nicht ein einziges Mal gelungen, ihm eine Überschrift ein- oder auszureden. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Nur die Blattkritik ist eben weg. „Ich werd’s nicht vermissen“, sagt der Kritiker. Die Redaktion eher doch. bm

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false