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Berlin: Von Hexen und Raumschiffen

Die neuen Gesellschaftsspiele überzeugen auch Spielemuffel

„Flinke Feger“ titelt der Buchrücken. Hexen auf Besen zieren den Einband. Der Inhalt ist für Literatur erstaunlich. Nur eine bebilderte Seite ohne Text. In den Hohlräumen der Kassette liegen Würfel und Karten mit Symbolen, Hexenfiguren und Plättchen, die sich zu einem Parcours auslegen lassen. Das vermeintliche Zauberbuch ist ein Spiel (Verlag Proludo) und zwar eines, das nicht nur durch auffällige Aufmachung besticht. Das wird klar, wenn ein Mitspieler mit schneller Auffassung und gutem Gedächtnis die einzige Buchseite umklappt. Denn nun sind sie verdeckt, die neun Symbolwürfel in rot und schwarz. Allgemeines Stöhnen am Tisch. Wer kann sich an die Symbolfolge einer Farbe erinnern, um eine dieser zwei Formeln mittels Karten zu rekonstruieren? Gleiche Würfelsymbole verschiedener Farbe neutralisieren sich allerdings. Sich auf eine Farbe zu konzentrieren, bringt also nichts. Oft drängt es die Hand, den Würfelwurf zu sortieren, solange er noch sichtbar ist. Aber das ist verboten und mancher Kopf rotiert. Je mehr man sich richtig merkt, desto weiter zieht die eigene Hexe, bis nach kaum mehr als einer halben Stunde ein Sieger feststeht.

Das pfiffige Spiel für zwei bis sechs Leute ab acht Jahren lebt von Spannung, Zeitdruck und dem gewissen Etwas der Optik. Es kostet ab 20 Euro und wird öfter geöffnet als manche Bücher.

Kurze, verständliche Regeln mit viel Raum zur individuellen Entfaltung bietet auch „Metropolys“ (Ystari Games). Film-Ikone Fritz Lang lässt grüßen. Das Spielfeld ist ein etwas gewöhnungsbedürftiger, stilisierter Stadtplan mit Fabriken und anderen Bauten. Jeder der zwei bis vier Kontrahenten ab mindestens acht Jahren spielt mit 13 nummerierten Gebäuden und hat pro Zug folgende Aufgabe: Gebäude setzen, eventuell Punktechip kassieren, fertig. Hinter diesem vermeintlich simplen Geschehen verbirgt sich aber einiges. Denn jeder zieht anfangs einen geheimen Bauauftrag. Entsprechend gesetzte Gebäude bringen Punkte. Viele Bauplätze sind umkämpft, weil für mehrere Spieler von Interesse. Das gilt auch für U-Bahnstationen und Nobelviertel.

Eine Art Pokerrunde entscheidet, wer bauen darf. Nur wer das Gebäude mit der höchsten Zahl bietet, darf es auf dem Spielplan lassen. Andere Gebote werden wieder abgeräumt. Spätestens nach der ersten, maximal einstündigen Partie leuchten die Augen auch anspruchsvoller Spieler, angesichts der zunächst ungeahnten Tiefe. Die Regel bieten auch eine knifflige Expertenversion an. Die taktischen Möglichkeiten überfordern auch typische Familienrunden nicht. Das Spiel kostet ab 23 Euro.

Spielemuffel? Zu viele Gäste für eine Partie des Üblichen? Die Antwort heißt „Linq“ (BeWitched/Heidelberger Spieleverlag). Das assoziative Bluffspiel kommt mit einigen Punktchips und 56 Kartenpaaren aus. Das eigentlich Überraschende liegt aber in der Idee und was die Mitspieler daraus machen. Die müssen sich paarweise finden, möglichst auch andere der ständig wechselnden Spielerpaare erkennen und dabei nicht auf raffinierte Solospieler hereinfallen. Dazu muss man weder peinliche Fragen beantworten noch sich tiefenpsychologisch einbringen. Jede Runde werden vielmehr verdeckt Karten mit Begriffen ausgeteilt und gewürfelt. Ein so erwürfelter Begriff lautet „Schwein“. Ein anderes Paar liest auf seinem Kartenpaar „Alkohol“, ein drittes „Dieb“.

Nun nennt jeder reihum ein Wort, mit dem er sich seinem Partner zu erkennen gibt. Richtige Tipps am Ende einer Runde bringen Siegpunkte. Zu offensichtlich sollten die Assoziationen aber nicht sein, weil sonst Dritte den Braten riechen und punkten. Sagt ein Schweinspieler „Schnitzel“, der andere „Borstenvieh“, wäre das schlecht. Bei „Chauvinist“ und „Hackfleisch“ tappen Außenstehende wohl im Dunkeln. „Linq“ kostet ab 15 Euro und ist vor allem in großen Runden mit sechs bis acht Spielern ein sehr kurzweiliger Brüller.

Eher in die Rubrik Kinderspiel fällt „Suleika“ (Zoch). Hier geht es darum, dem Wesir Omar Teppiche vor die Füße zu legen. Betritt ein von Mitspielern bewegter Omar meine Teppiche, erhalte ich Geld. Am Ende gewinnt der Reichste, was größtenteils Glückssache ist. Etwas fürs Auge ist das Spiel, weil jeder der zwei bis vier Kontrahenten ab acht Jahren den Spielplan nach und nach mit kleinen Stoffteppichen seiner Farbe bedeckt. Die Regeln sind einfach, das Spielmaterial verführerisch, die Spieldauer mit maximal einer halben Stunde angenehm kurz. In reinen Erwachsenenrunden kommt „Suleika“ weniger gut an. Für den Wettstreit mit und unter Kindern ist das Spiel allemal empfehlenswert. Es kostet ab 22 Euro.

Wäre nicht die witzig geschriebene, aber unangenehm voluminöse Regel, hätte „Galaxy Trucker“ (Czech Games Edition/ Heidelberger Spielverlag) wohl gute Chancen zum Spiel des Jahres 2008 gehabt. 16 Seiten Regeln sind eine Anfangshürde. Dann folgt aber ein Feuerwerk, das genial Elemente von Puzzle, Brett- und Kartenspiel kombiniert und Menschen, bei denen der Spaß am Spiel im Vordergrund steht, süchtig macht. Kurz gesagt, baut jeder Mitspieler dreimal im Verlauf einer Partie ein immer größeres Raumschiff und sieht dann zu, wie es von den Gefahren des Alls wieder in seine Einzelteile zerlegt wird.

Anfangs puzzelt jeder unter Zeitdruck. Alle greifen zugleich auf einen zunächst verdeckten Haufen Chips zu, in dem Kanonen, Pilotenkabinen, Motoren, Schildgeneratoren und mehr schlummern. Montiert werden die Teile auf der eigenen Raumschiffwerft. Ist das Monstrum fertig, prüft ein Kontrahent, ob richtig gebaut wurde und baut falsche Teile wieder aus. Dann brechen die Gefahren des Weltraums in Form von Meteoriten, Piraten oder Epidemien über einen herein, die Fetzen fliegen, Gewinne werden mit Verlusten verrechnet und es beginnt der Bau des zweiten Raumschiffs. Wenn alles vorbei ist, wundern sich alle zwei bis vier Mitstreiter ab zehn Jahren, dass schon bis zu zwei Stunden vergangen sind. Der Spass kostet ab 29 Euro.

Thomas Magenheim-Hörmann

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