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Das Dorf lockt: Brandenburg wird für ältere Berliner als Wohnsitz beliebt. Besonders wenn es so malerisch aussieht, wie in diesem Gutspark in Petzow.

© Kai-Uwe Heinrich tsp

Von Landflucht keine Spur: Viele Berliner Rentner zieht es nach Brandenburg

In Brandenburg steigt das Durchschnittsalter – auch, weil Berliner zuziehen. Die wollen immer häufiger ihren Ruhestand auf dem Land verbringen. Besonders das Oderbruch ist inzwischen als Ruhesitz beliebt.

Zur sogenannten Vergreisung ganzer Landstriche in Brandenburg tragen ausgerechnet auch die Berliner bei. Denn so manchen Städter im Pensionsalter zieht’s raus aufs Land, ob auf Dörfer im Westhavelland, im Oderbruch oder in der Prignitz. So steigt auch so das Durchschnittsalter, das der Verband der Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen mit derzeit 47,2 Jahren angab. Wie berichtet, wird der Wert bis 2030 auf 52,8 Jahre steigen.

Das Oderbruch der Künstler

Ein Beispiel ist das 80 Kilometer nordöstlich Berlins gelegene Oderbruch. Dort steht kaum ein Gehöft lange Zeit leer. Vor allem etwas vermögende Berliner erfüllen sich kurz vor dem Eintritt ins Rentenalter den Wunsch nach Landleben. In manchen Orten beträgt der Anteil der Zuzügler schon 20 bis 30 Prozent, wobei die Landschaft offenbar inspirierend wirkt. Im gerade 40 Kilometer langen und 20 Kilometer breiten Oderbruch leben schätzungsweise 70 Künstler. „Wir haben jedenfalls keine Mühe, neue Ausstellungen zu finden“, sagt Thomas Berge vom Restaurant „Dammmeisterei“ im Örtchen Zollbrücke an der Oder.

Plattenbauten stehen häufig leer

Nicht nur deshalb mahnt der Kulturwissenschaftler Kenneth Anders, der ebenfalls im Oderbruch lebt, zu einer differenzierten Betrachtung des Themas. „Die Diskussion wird gerade aus der Ferne viel zu negativ geführt“, sagt er. „Die positiven Aspekte wie die Nachbarschaftshilfe zwischen Jung und Alt werden genau wie die positive Wirkung der schönen Landschaft zu wenig beachtet.“ Natürlich sei aus der Sicht der Wohnungsunternehmen verständlich, dass leer stehende oder nur noch von wenigen Menschen genutzte Häuser abgerissen werden. Aber das betreffe fast ausschließlich mehrgeschossige Häuser in den Dörfern. Wer aber Eigentum selbst in den entlegenen Orten besitze, gehe nur in Ausnahmefällen weg. Von einem „massenhaften Abriss“ oder der Aufgabe ganzer Dörfer könne jedenfalls keine Rede sein. Leerstand gibt es meist in den Plattenbauten. Sie stammen meist aus den 1960er Jahren, als die Partei- und Staatsführung der DDR die „Angleichung der Verhältnisse in der Stadt und auf dem Lande“ verkündete. Doch mittlerweile sind viele Bewohner fortgezogen, weil nach der Wende überall Arbeitsplätze abgebaut wurden.

Region der Chancen

Viele Chancen der demografischen Entwicklung bleiben zudem ungenutzt, meint Wissenschaftler Anders. Viel zu wenig sei bekannt, dass die Ärzte hier volle Praxen und gute Einkommen hätten. Auch mit Trinkwasser, Strom und Gas oder der Telekommunikation ließen sich durch die im Vergleich zu Städten etwas höheren Preise durchaus gute Geschäfte machen. Allerdings müsse sich der Staat vor allem auf zwei Gebieten stärker als bisher engagieren: in der Erhaltung von Schulen und der öffentlichen Mobilität. Das seien zivilgesellschaftliche Aufgaben, für die sich das Geldausgeben lohne. Das verlange aber auch einen etwas veränderten Unterrichtsstoff, der den Sinn des Lebens auf dem Lande besser berücksichtige. Das höhere Durchschnittsalter sei aus seiner Sicht jedenfalls kein Grund für Panik.

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