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Berlin: Von Tag zu Tag: Alte Zeiten

Eigentlich müsste ich jetzt in Moskau sein, Kaviar essen und Wodka trinken. Oder Marmelade und Sprudel-Wässerchen.

Eigentlich müsste ich jetzt in Moskau sein, Kaviar essen und Wodka trinken. Oder Marmelade und Sprudel-Wässerchen. Egal. Aber ich sitze hier und schreibe mir meinen Frust von der Seele: Einer Einladung der Stadtregierung von Moskau zum Zwecke touristischer Reklame für die Hauptstadt von Mütterchen Russland konnten wir leider nicht folgen, die Bürokratie war/ist viel zu tief. Sie bildet einen Graben, in den hineinfällt, wer keine Nerven wie Stricke hat. Der erste Versuch, ein Visum zu beantragen, scheiterte an dem Uniformierten, der den Spalt der Tür zur Konsularabteilung der Botschaft nur ein wenig öffnete, dauernd nach einem "Außenministerium" fragte und einem die Tür vor der Nase zuknallte. Der zweite Anlauf scheiterte an der Abwesenheit eines Versicherungsscheins, den jeder braucht, wenn er in Moskau krank wird. Wir sind aber schon in Berlin krank geworden, grippekrank. Vorn, Unter den Linden, die prächtige Botschaft, hinten, in der Behrenstraße, eine kleine Holztür, vor der von früh bis zur Mittagsstunde (danach ist zu) viele frierende Menschen russischer Herkunft gleichmütig auf die Bearbeitung ihrer Passangelegenheiten warten. Jeden Tag. Das ist kein schönes Bild, aber wer es nötig hat, dort zu stehen, tut dies mit jenem Gleichmut, der sich vererbt zu haben scheint aus alten Zeiten. "Was sollen wir denn machen?" fragt eine Frau hilflos. Moskauer Nächte ade - wir gingen einfach weg und blieben in der kalten Heimat.

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