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Berliner Abgründe - empfohlen für eine Radtour.

© Promo

Von Tag zu Tag: „Berlin, Du kannst so herrlich schrecklich sein.“

Andere Städte verstecken ihre Schmuddelecken. Berlin macht damit Reklame. Eine Glosse.

Das Märchen der Brüder Grimm von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen, endet bekanntlich damit, dass der junge, zuvor durch nichts zum Gruseln zu bringende König des Nachts mit einem Eimer Wasser voller kleiner Fische übergossen wird. Allerlei Monster haben den wohl etwas tumben Helden nicht schrecken können, erst die ebenso nasse wie glitschige Methode seiner Gattin, ihn aus dem Schlaf zu reißen, führt zum Erfolg.

Ein etwas umständlicher Weg. Heute hätte man dem guten Mann wohl eher eine Reise nach Berlin empfohlen. „Führer“-Schau im ehemaligen Bunker am Anhalter Bahnhof? Nichts wie rein. Leichenschau zum Standardpreis, Monster en masse? Willkommen in Gunther von Hagens zum "Menschen Museum" mutierte Körperwelten wie auch im Berlin Dungeon.

Und sollte sich das Gruseln noch immer nicht einstellen: rauf aufs Rad und hinein in den „Abgrund Berlin“, wie der Veranstalter freeberlintours sein neues Angebot betitelt hat: eine elf Kilometer lange „Anti-Tour“, so wird diese Kreuzfahrt des Grauens beworben. Kopfschüttelnd gehe es „drei Stunden durch den Moloch“, diese „chaotische Geldvernichtungsmaschine“, eine „Hässlichkeit gegossen in Beton“, ihr „perverses Nachtleben“ inbegriffen: Kurzum: „Berlin, Du kannst so herrlich schrecklich sein.“

Wie keine andere Stadt

Andere Städte bemühen sich, ihre Schmuddelecken, die dunklen Flecken auf ihrer weißen Weste, zu kaschieren oder schönzureden. In Berlin dagegen werden selbst diese noch als besondere Vorzüge verkauft, mit Blick auf die Brüder Grimm eine geradezu märchenhafte Methode.

Plakativ. Der Humor der Eisbären.
Plakativ. Der Humor der Eisbären.

© Lars von Törne

An der sich selbst die wackeren Eisbären versuchen, die bei ihren Spielen laut aktueller Plakatkampagne „Mehr Speed als auf’m Kotti“ zu bieten haben. Ein Verfahren, zu dem sich sogar das ehemalige Stadtoberhaupt Klaus Wowereit bekannte, als der die Stadt als „arm, aber sexy“ anpries, Berlins Handicaps und Nachteile gleichsam zu Vorzügen umdeutete und sich damit, wohl eher unbewusst, auf den Spuren der großen Berlin-Verehrerin Hildegard Knef bewegte, die auch die Makel nicht missen wollte: „Berlin, dein Gesicht hat Sommersprossen, / und dein Mund ist viel zu groß, / dein Silberblick ist unverdrossen, / doch nie sagst du: ,Was mach’ ich bloß?‘“

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