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Von Tag zu Tag: Blinder Fleck

Christian van Lessen wundert sich über das unerschlossene Berlin

Wir erinnern uns an Ost-Berliner Stadtpläne, die sahen merkwürdig aus: Sie zeigten zwar Plätze, Straßen und Parks wie jeder andere Stadtplan der Welt, doch die Seite der Karte, wo der Westen der Stadt hätte sein sollen, zeigte – nichts, außer: eine meist hellgraue Fläche, die so unverschämt leer war, dass sich die Benutzer des Stadtplans schon fragten, warum sie für das Nichts noch Ostmark zahlten. Denn was als Berlin-Plan verkauft wurde, war nur die Hälfte der Wahrheit, die „Hauptstadt der DDR“. Heute, ohne Mauer, so müssen wir aus traurigem Anlass feststellen, scheint es gerade umgekehrt: Der Ost-Berliner Untergrund, so gesteht die Stadtentwicklungsverwaltung, sei in großen Teilen lückenhaft kartografiert. Baggerfahrer müssen sich daher bei Erdarbeiten immer wieder auf unliebsame Überraschungen gefasst machen. Der Berliner Boden – ein weithin unbekanntes Terrain, das vielleicht außer deplatzierten Rohren und Kellern noch wirkliche Schätze birgt: Wissen wir, in welchem Tiefbunker einst der Kaiser auf dem Schlossplatz Gold versteckt hat oder Honecker seine Devisen? Abwarten, ein Bagger wird’s schon finden.

Christian van Lessen

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