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Von Tag zu Tag: Charakterkopf

Lothar Heinke findet Berlin mit Sommersprossen am schönsten.

Passt zum Wetter, was Hildegard Knef damals so cool und frech in die Mikrofone sang: Berlin, dein Gesicht hat Sommersprossen, und dein Mund ist viel zu groß, dein Silberblick ist unverdrossen, doch nie sagst du: „Was mach ich bloß?“ Nö, ratlos und verlegen sind wir eigentlich nie, und die Pünktchen im Gesicht sollen ja so reizvoll sein, weil die Schönheit hindurchschimmert und zum zweiten, oft entscheidenden Blick animiert. Aufs urbane Leben bezogen: In Berlin sind kosmetische Schönheitschirurgen am Werk, die der Stadt die kleinen Sonnenflecken von der Nase pudern. In der Ausstellung „Die gerettete Mitte“ wird, zu Recht, ein Loblied auf das milliardenschwere Sanierungsprogramm des City-Bezirks gesungen. Früher, vor ’89, fanden West-Gäste die Narben an den Häusern, die alten Einschüsse und die noch älteren Reklamemalereien auf den Giebelwänden von Mitte so interessant, dass sie alles fotografierten. Reine Nostalgie, dieses „Maggi“, „Berliner Tageblatt“ oder gar „Kolonialwaren“ über dem Laden in der Tucholskystraße. Plötzlich ist alles weg. Vielleicht hätte man das eine oder andere lassen sollen. Wegen der Sommersprossen.

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