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Von Tag zu Tag: Es waldnachtet

Stephan Wiehler ist zwar kein Mann wie ein Baum, aber er hat seine Tanne.

Man sieht die Stadt vor Bäumen nicht. Sie klemmen auf Gepäckhaltern von Fahrrädern, ihre Äste biegen sich hinter den Heckfenstern der Familienkombis. Besonders bewaldet ist es in den frühen Abendstunden, wenn müde Väter nach Büroschluss von den Tannenmärkten ihre grüne Beute nach Hause schleppen, mit den typisch gemarterten Gesichtszügen, die durch die Wollmützen pieksende Nadeln zeichnen. Diese Last muss ich meinen schmalen Redakteursschultern nicht zumuten, dachte ich, und erwog kurzzeitig, mir eine Nordmann-Tanne im Internet zu bestellen. Versanddienstleister pressen dieser Tage zigtausende Weihnachtsbäume, auf Wunsch fertig geschmückt, in Pappkartons und schicken sie auf den Postweg. Mit Liefergarantie bis Heiligabend. Erst kurz vor dem finalen Mausklick entdeckte ich den wütenden Kommentar eines Kunden, der seine Anfang Februar 2009 bestellten Frühlingszwiebeln erst Mitte April erhalten hatte. Vor meinem geistigen Auge stand der Paketbote mit dem Weihnachtsbaum am Rosenmontag vor der Tür. Gestern nach Feierabend habe ich meine Tanne geschultert.

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