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Von Tag zu Tag: Freund und Filzer

Sebastian Leber wundert sich über unerwarteten Körperkontakt

Eigentlich will ich nur kurz rüber zum Potsdamer Platz. Auf dem Parkplatz des Tagesspiegel stehen drei Jungs, wahrscheinlich Araber, wahrscheinlich so 13, sie möchten wissen, ob ich womöglich ein silbernes Herrenfahrrad gesehen habe. Das sei ihnen nämlich geklaut worden. Seltsam, denke ich, warum hier auf dem Parkplatz? Aber sie siezen so höflich, also weiter… Kurz darauf stoppen mich zwei Zivilpolizisten, ein dritter wartet im Auto. Ich hätte mich gerade auffällig verhalten, behaupten sie. Häh? Na, weil ich mit den „drei kleinen Ausländern“ gesprochen habe! Zudem sei ich „jugendlich normal“ gekleidet, das komme erschwerend hinzu. Sie fragen, ob ich „BtM“ dabei habe. Häh? „Betäubungsmittel!“ Dann durchsuchen sie alles, meine Jacke, die Hosentaschen, auch den Rucksack. Hätte ich das gewusst, hätte ich vorher wenigstens die benutzten Taschentücher entsorgt. Vor allem aber bin ich stinkwütend! Gilt es jetzt schon als auffällig, sich mit Migranten zu unterhalten? Noch während sie filzen, überlege ich: erst zur Anti-Diskriminierungsstelle oder gleich eine Dienstaufsichtsbeschwerde?

Später am Tag kommen die Polizisten in den Verlag, unten an den Empfang, verlangen nach mir. Sie wollten bloß mitteilen, dass sie die Jugendlichen gerade auf frischer Tat ertappt haben. Beim Fahrradklau, nur eine Straße weiter. Und dass die drei auf dem Tagesspiegel-Parkplatz wohl tatsächlich ein Rad gesucht hatten. Aber eben keines, das ihnen gehörte. Jetzt bin ich verunsichert – und weiß nicht mehr, wofür ich mich schämen soll: dass ich die Polizisten erst angeschnauzt habe oder dass es mir nun leid tut.

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