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Eine Schwimmbrille ist noch kein Doppelauge: Dieses Exemplar der Spezies Rückenschwimmer, Abteilung Primaten, ist dem stechenden Insekt, das ebenfalls Rückenschwimmer heißt, in puncto Orientierung unterlegen.

© picture alliance / dpa

Von Tag zu Tag: Großglubschig

Rückenschwimmer, Abteilung Primaten, gelten als die Geisterfahrer der Bäderwelt. Zum Sommerende kehrt die Spezies aus offenen Gewässern ins Gedrängel der Pool-Bahnen zurück.

In der Reihe „Typologie des Homo sapiens und seiner Verhaltensmuster auf dicht besiedeltem Raum“ behandeln wir heute die Spezies Rückenschwimmer, Abteilung Primaten. Mit dem Gemeinen Rückenschwimmer (Notonecta glauca), der zur Ordnung der Schnabelkerfe, Untergruppe Wasserwanzen, gehört, teilt der zweibeinige Badegast nur wenige Eigenschaften. Während die bootsförmig gewölbten, aufgrund ihres Stechvermögens auch Wasserbiene gerufenen Notonectidae beim Rücklingstauchen Sauerstoff in ihrem abgeflachten Bauch bunkern, sich an Land nur ein Viertelstündchen Zeit fürs Flügeltrocknen nehmen, aber zur Paarung mehrere Stunden beieinander auf dem Wasserspiegel verweilen, krault der menschliche R. lediglich dumpf von A nach B und zurück. Das Aktionsmenü der Schnabelkerfe übersteigt seine Möglichkeiten; zumal ein Durchschnitts-R. durch Konzentration aufs ureigene Wohlbefinden und die Pflege seiner Wirbelsäule ausgelastet ist.

Mit den entfernt verwandten Arten Geisterfahrer, Bleifuß und auf Krawall gebürsteter Opfer-Radler teilt R. die Überzeugung, am momentanen Ort seiner Fortbewegung den Bezugspunkt aller übrigen Subjekte darzustellen: so dass für jeden anderen Verkehrsteilnehmer aus der Berücksichtigung aller R.-Interessen ein perfekter Verlauf der Gesamtmobilität resultieren muss.

Über den Bewusstseinszustand des R., den manche Ethnopsychologen als Sozialdarwinisten sehen, während andere sein ignorantes Verhalten mit dem utopischen Urvertrauen plätschernder Embryos vergleichen, streitet die Forschung. Am Ende der Freiluft-Saison kehrt R. aus Ozeanen und Seen, wo seine Fortbewegungsblindheit kaum Widerstand erfährt, in enge Beckenbahnen zurück. Mit Karambolagen ist dann in der Berliner Pool-Landschaft zunehmend zu rechnen. Anders als Gemeine Rückenschwimmer, die sich bei 18 Millimeter Länge nicht nur kräftiger Ruderbeine und eines kurzen Saugrüssels, sondern auch großglubschiger „Doppelaugen“ erfreuen, hat R. kein spezifisches Orientierungssensorium entwickelt. Ein interdisziplinäres Forschungsprojekt, das dem menschlichen Rückenschwimmer helfen soll, evolutionstechnisch von der Wasserbiene zu profitieren, steckt noch in den Kinderschuhen.

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