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Berlin: Von Tag zu Tag: Koffer in Berlin

Die Stadt bemüht sich, normal zu sein. Alles geht seinen Gang.

Die Stadt bemüht sich, normal zu sein. Alles geht seinen Gang. Nur manchmal stockt uns der Atem. Wenn wir neben dem Adlon plötzlich von einem Stacheldrahtverhau daran gehindert werden, der Botschaft Ihrer Majestät näher zu treten. Wenn über uns ein Flugkörper brummt. Oder wenn etwas dadurch verdächtig wird, dass es aus dem Rahmen fällt: Im 148-er Bus steht vorn am Eingang ein Koffer. Braun, nicht gerade neu, mit einem Lederriemen wie ein Kinderwagen festgezurrt. Herrenlos. Jedenfalls ohne erkennbaren Besitzer. "Normalerweise wäre mir das hier egal", sagt eine junge Frau, während sie aufsteht und zum Fahrer geht, "aber heutzutage...?" Da ist es wieder, dieses Man-kann-ja-nie-wissen-Syndrom. Der Busfahrer stoppt, kommt aus dem Cockpit, guckt sich den Koffer an, wackelt mit dem Kopf, setzt sich wieder vors Steuer, tippt eine Nummer und beginnt einen Dialog mit seinen Chef-Managern in der Zentrale für außergewöhnliche Erscheinungen. Die möchten alles genau wissen - Farbe des Gegenstandes, Standort des Fahrzeuges, hörbare Geräusche im Corpus delicti und so weiter. "Koffa tickt nich" ruft der Fahrer erleichtert ins Mikrofon. Und da geschieht es: Ein junger Mensch kommt vom Oberdeck. "Is was mit meinem Koffer?" Wir atmen auf. "Ach Sie! Na, denn is ja jut."

Entwarnung. Wir können fortfahren. Aber was wäre wohl ohne das Bekenntnis des Koffermanns gewesen? Dann hätte auf Knopfdruck ein Satellit den Bus geortet, drei Minuten später wäre die Polizei gekommen, hätte ihr Sprengkommando gleich mitgebracht, den Bus geräumt und die Straße gesperrt.

Noch mal Glück gehabt.

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